Kryogenik und Zukunftsperspektiven

Hoffnung entsteht im Glauben an uns selbst; letzterer erstreckt sich stufenweise auf andere Mitmenschen und auf den Glauben an ein – allem Anschein zum Trotz – unbe­schädigtes, gesundes Zentrum des Universums. Zuallererst muss man eine Verpflichtung der Zukunft gegenüber eingehen, ein Engagement in Bezug auf Herausforderung und Risiko – man muss bereit sein, den Preis zu bezahlen. Und dann sieht man, dass es Gefilde der Hoffnung gibt, weil noch viele andere Leute da sind, die sich mutig, weitsichtig und angetörnt verhalten; auch sie nehmen Risiken auf sich. Die Menschheit besteht nicht nur aus domestizierten Droh­nen, die ihre Obliegenheiten im Bienenstock verrichten. Die Evolution wird von Abweichlern bestimmt, die ihre Zweifel, ihre Hoffnung und Nächstenliebe hegen – am mei­sten vorhanden ist wohl der Zweifel.

Die Kryogenik-Gesellschaft

The Prospect of Immortality aus der Feder des Physikprofessors Robert Ettinger postuliert, dass die heutzutage leben­den und sterbenden Menschen eine reale – wenn zurzeit auch nicht absehbare – Chance auf unbegrenzte Lebensver­längerung hätten. Er geht von der logischen Überlegung aus, dass derzeitige Gefriertechniken die wichtigen, indivi­duelles Leben und Persönlichkeit bestimmenden Gegeben­heiten biologischer und psychischer Art konservieren könnten. Das trifft selbst für mangelhafte Gefriertechniken zu, die nur bei klinisch bereits toten Personen Anwendung finden. Eine zukünftige fortgeschrittene Medizin kann die­se konservierten Grundlagen möglicherweise dazu benut­zen, das verstorbene Individuum dem aktiven Leben, der Gesundheit und der Jugend zurückzugeben.

Wenn sich Teilnehmer am Kryogenik-Programm innerlich auf die These eingestellt haben, wonach eine unbegrenzte Verlängerung des Lebens möglich und lohnenswert sei, erfahren sie eine Art Befreiung des Bewusstseins. Die auf Erkenntnisse und Errungenschaften fixierten Einschränkungen verschwinden, als ob sie mit Lichtgeschwin­digkeit weichen würden, und erschließen einen allumfas­senden Blick auf das Universum. Sie erachten diese Vision als eine Potenz, die sich konzentrieren wird, falls die Zivili­sation weiterhin Fortschritte macht. Alle Krankheiten wer­den heilbar oder vermeidbar sein, das Altern, dieser auf die Anhäufung von Jahren beruhende Prozess wird sich umge­hen lassen oder kann umgesteuert werden. Alle Unfallschä­den – ausgenommen die katastrophale körperliche Zerstö­rung – wird man beheben können. Die Leute werden Hun­derte, Tausende oder Millionen von Jahren leben können; möglicherweise wird die echte physische Unsterblichkeit erreicht. Die Menschheit wird sich über das ganze Sonnen­system, über die Galaxis und das gesamte Universum verbreiten; im Verlauf dieses Prozesses wandelt sich die Menschheit zur Supermenschheit. Sie wird physiologisch eine höhere Stufe erreichen, und – was noch viel bedeutsamer ist – sie wird ihr Bewusstsein erweitern, ihre Erkennt­nisfähigkeit, ihr Wissen um die Dinge in der grenzenlosen Wirklichkeit, die sie umgibt. Das Kryogenik-Programm bil­det für unsere Epoche einen Brenn- und Wendepunkt des Bewusstseins innerhalb des Kosmos.

Es gibt Anhaltspunkte zur Hoffnung; das Universum ist groß. Seine Unermesslichkeit und die ungeheure Größe un­serer Unwissenheit bieten berechtigten Grund zur Annah­me, dass es noch sehr viele Möglichkeiten gibt, von denen wir bis heute nicht das Geringste ahnen. Wir können diese Möglichkeiten unseren eigenen Zwecken nutzbar machen um uns und unsere Errungenschaften zu verbessern. Das Kryogenik-Programm eröffnet uns nicht nur die Aussicht auf ein Mitwirken bei der Entwicklungsarbeit an unserer ei­genen Evolution, sondern auch auf die Verwirklichung der daraus resultierenden Vorteile. Ettinger formulierte einen Satz, den er als Erstes Theorem der Hoffnung bezeich­net: Zum Verzweifeln ist es immer zu früh.

Viele von uns hoffen sogar, dass wir gar nie durch Kryoge­rik konserviert werden müssen. In der Tat liefern uns die gegenwärtigen Fortschritte auf dem Gebiet der Lebensver­längerungsforschung, wie sie von Wissenschaftlern wie Dr. Bernard Strehler, Dr. Paul Segall und vielen anderen be­trieben wird, manchen Anhaltspunkt zu der Annahme dass eine chemische Behandlung des Alterungsprozesses innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre möglich sein wird. Es besteht eine große Chance, dass die ersten Langle­bigkeits-Pharmaka frühzeitig genug auf den Markt kom­men, um uns allen weitere hundert bis zweihundert Lebens­jahre zu schenken. In dieser Zeit wird uns die Forschung beinahe mit Gewissheit eine noch längere – eine phanta­stisch verlängerte -Lebensspanne ermöglichen.

Hoffnungslosigkeit

Hoffnungslosigkeit ist heutzutage sowohl eine modische Attitüde als auch eine respektierte Angelegenheit; man könnte sie beinahe als schick bezeichnen. Sie ist in der heu­tigen Zeit in: Verachtung für die Menschheit, Hoff­nungslosigkeit, apokalyptische Furcht. Jeder Soziologe weiß, dass ein Programm der Hoffnungslosigkeit eine sich selbsterfüllende Prophezeiung darstellt. Wenn man das Gefühl hat, bei einer bestimmten Frau nicht anzukommen, so macht man – offensichtlich – schon gar keinen Versuch bei ihr. Falls man glaubt, dass man diesen oder jenen Job doch nicht bekomme, dann bewirbt man sich schon gar nicht um ihn; man füllt die nötigen Formulare nicht aus usw. Je mehr Hoffnungslosigkeit uns umgibt, desto mehr Gründe zur Hoffnungslosigkeit lassen sich finden. Das Aus­maß, in welchem Hoffnung eine sich selbsterfüllende Prophezeiung darstellt, ist nicht so offensichtlich, aber solange man Hoffnung hat, zeigen sich auch Möglichkeiten; man nimmt Chancen wahr, die man im Rahmen eines Hoffnungs­losigkeitsprogramms überhaupt nicht sehen würde.

Leben nach dem Tode

Frühere Bemühungen, Ertrunkene wiederzubeleben, sind ins Lächerliche gezogen worden; man hat den offensicht­lich diabolischen Versuch, Leute dem Tod zu entreißen, als Blasphemie gebrandmarkt, da Gott es anders vorgesehen hatte. Jedermann wusste, dass Gott die Seele dieses kalt und blau aus dem Wasser Gezogenen gerufen und dorthin ge­sandt hatte, wo es ihm beliebte – ein Wiederbelebungsver­such war somit nicht nur nutzlos, sondern geradezu blas­phemisch. Die dazu verwendeten Methoden waren unzu­länglich, doch begannen sich tatsächlich Erfolge abzuzeichnen. Das Furore flaute möglicherweise ab, nachdem es sich herausgestellt hatte, dass die Opfer in Wirklichkeit gar nicht tot gewesen waren. Bis dahin hatte man unter sol­chen Bedingungen die betroffenen Individuen stets tot ge­glaubt; diejenigen aber, die man wiederbeleben konnte, waren die ganze Zeit über lebendig gewesen.

Ähnliche Reaktionen gegenüber medizinischen Fort­schritten sind bis in die heutige Zeit zu beobachten – selbst als Antwort auf das Kryogenik-Programm. Wenn bei einem tiefgefrorenen, gleichsam ad acta gelegten Patienten jene Daten, auf denen Leben und Bewusstsein beruhen, noch vorhanden sind, so liegt das betreffende Individuum in ei­nem tiefen Koma und befindet sich zumindest in einem Zu­stand möglichen Lebens. Falls nun diese Daten aus ir­gendeinem Grund aufgelöst oder zerstört worden sind – sei es durch einen rein physiologischen Prozess oder durch Gottes Einwirken auf die ausschlaggebende Verbindung –, dann ist die betreffende Person tot. Auch der gelehrteste Theologe jedwelchen Bekenntnisses – sei er Buddhist, Christ, Mohammedaner usw. –, der an eine geistige Existenz außerhalb des Körpers glaubt, würde keinen An­spruch auf genaues Wissen über die Verbindung zwischen Geist und Körper erheben; ebensowenig über die Bedin­gungen, unter denen sich diese Verbindung auflöst. Nie­mand weiß genau, wann dieser Übergang von der ausrei­chenden zur unterdotierten Datenmenge stattfindet; den­noch gibt die Wissenschaft manchen Anhaltspunkt zur op­timistischen Annahme, dass sich die wichtigen Daten gegenüber der Zerstörung wesentlich resistenter verhalten, als allgemein vermutet wird.

Einige Befürworter der Kryogenik-Technik glauben zwar an die Seele und ein geistiges Leben nach deren Trennung vom Körper; dennoch wählen sie für sich selbst die Kon­servierung ihres Leibes mittels der genannten Gefrierme­thode. Viele religiöse Führer sind der Kryogenik-These sehr zugetan. Ihrer Aussage nach ist das physische Leben heilig, eine Gabe Gottes, die nicht preisgegeben werden darf, ehe wirklich stichhaltige Gründe dafür vorliegen. Wir erachten den von einem Arzt ermittelten klinischen Tod ­eine Diagnose, die in Anbetracht der kontinuierlich wech­selnden Berührungsebenen in Bezug auf Zeit und Ort, Wis­sen und Technologie nur als relativ bezeichnet werden kann – nicht als überzeugenden Beweggrund, um Hoffnung und Bestreben aufzugeben.

Die Wissenschaft der Lebensverlängerung arbeitet mit dem Konzept der Identitäts-Rekonstruktion. Letzteres be­zieht sich auf eine hypothetische Technik, mit deren Hilfe die Persönlichkeit und das Gedächtnis rekonstruiert wer­den sollen, falls die physischen Überreste eines Individu­ums derart zerstört sind, dass die üblichen Methoden nicht mehr zur Anwendung gelangen können. Ein stark zerstör­tes Gehirn, beispielsweise, würde nicht einfach wiederbe­lebt, doch könnten Persönlichkeit und Gedächtnis des Ver­storbenen mit Hilfe der intakten Daten wiederhergestellt werden. Letzteres würde möglicherweise ein gezüchtetes oder künstlich hergestelltes Gehirn implizieren, das die ­mittels kybernetischer Kartographie festgehaltenen – in Welle, RNA und DNA der Original-Neuronen vorhande­nen quantenbezogenen Daten enthält. So wie man sich vor hundert Jahren über die Transistor-Technik keine Vorstel­lung machen konnte, so wird auch die Zukunft Möglichkei­ten bringen, die uns heute nicht einmal im Traum einfallen würden.

Von einer anderen Perspektive aus gesehen, offenbaren sich zahlreiche Wege zur Findung der Identität. Es ist durchaus möglich, dass eine Art zentralisierter galaktischer Computer oder das Gehirn des energieverschiebenden Sy­stems die Persönlichkeiten auf Band programmiert hat; wenn das Rad im genetischen Roulette den richtigen Ort trifft, so erscheinen die Persönlichkeiten erneut auf einem bestimmten Planeten. Mit anderen Worten: Wenn sich die Persönlichkeit – mathematisch betrachtet – aus Grundda­ten zusammensetzt, so sind theologische Begriffe wie Geist oder Seele nicht allzuweit entfernt. Wir spre­chen vom Codieren, was auf vielerlei Arten in Erschei­nung treten kann, so dass sich Leute, die um ihre vorgängi­gen Leben zu wissen behaupten, möglicherweise dieser ge­netischen Archive erinnern. Dieses Phänomen bezeichnet Dr. Leary als den siebten Schaltkreis des Nervensystems, den neurogenetischen Schaltkreis, in dessen Schleifen wir uns des DNA-Archivs erinnern können. Diese Daten sind stets greifbar, so dass jemand, der durch Kryogenik konser­viert wurde, in vielerlei Formen wiedererscheinen kann. Letztere müssen somit nicht mit jener Form, in der die Auf­bewahrung im gefrorenen Zustand beendet und das Indivi­duum wiederbelebt wird, übereinstimmen. Mit anderen Worten: Die Identität ist nicht auf derart enge Weise mit dem jeweiligen Körper verbunden.

Anders gesagt: Im Innern einer jeden Zelle unseres Kör­pers befindet sich ein äußerst komplizierter DNA-Code, der sämtliche Daten enthält, die unsere Körpergröße, Au­genfarbe usw. bestimmen. Dieser Lochstreifen ist in je­der Zelle sämtlicher Lebewesen dieses Planeten enthalten; es handelt sich dabei um den Evolutions-Computer, dessen Strategie seit dreieinhalb Milliarden Jahren zum Einsatz gelangt. Er weiß offensichtlich mehr als jedes menschliche Gehirn. Wie Mueller, der Genetiker, meint, sind wir in ei­nem gewissen Sinne riesige, von der DNA geschaffene Ro­boter, die dazu bestimmt sind, noch mehr DNA herzustel­len. Tim Leary würde sagen, bessere DNA.

Die mystischen Daten der Erinnerung an vergangene Le­ben können mit Learys Theorie von der Verbindung zwi­schen Nervensystem und genetischem Code erledigt werden; wir erinnern uns dabei an Dinge, die nicht mit dem bestehenden Nervensystem in Zusammenhang stehen, son­dern die uns mit andern vom genetischen Code geschaffe­nen Systemen zugestoßen sind. Außerhalb des Körpers ge­machte Erfahrungen können mit Hilfe von Learys achtern Schaltkreis, dem neuroatomaren, metaphysiologischen Schaltkreis, geklärt werden. Nur weil man sich außerhalb des Körpers befindet, bedeutet dies noch lange nicht, dass man auch den Bereich der Physik verlassen hat – man befin­det sich einfach in einem metaphysiologischen und nicht in einem metaphysischen Zustand. Dieselbe Theorie ist be­reits von Physikern wie Dr. Evan Harris Walker, Dr. David Bohm, Dr. Jack Sarfatti und verschiedenen anderen aufge­stellt worden.

Ausblick in die Zukunft

Wir leben alle auf einem Planeten, der jenen Punkt erreicht hat, an dem wir es uns nicht mehr leisten können dass ir­gendjemand unterdrückt wird oder sich auch nur unter­drückt glaubt. Das Potential der Gewalt und Zerstörungs­wut ist überwältigend. Niemand ist sicher, selbst jene Leute nicht, die so viel Geld besitzen wie die Hearsts. Es gibt kei­nen Ort, wo man sich verstecken könnte. Wir müssen unse­ren Verantwortungen entgegentreten und realisieren dass uns nur noch die Wahl zwischen Utopia und Vergessen übrig bleibt. So verschickt eine fröhliche Gruppe, die sich selbst als Nationalkomitee zum Umsturz der Regierung am nächsten Dienstag nach dem Mittagessen bezeichnet schematische graphische Darstellungen zur privaten Bastelei einer Atombombe. Captain Crunchs Verurteilung ist im Rahmen der Gerichtsverhandlungen von vier Jahren auf drei Monate gekürzt worden, weil er der Regierung erzählt hat, wie es ihm gelungen war, die als unabhörbar geltenden Telefonverbindungen des Weißen Hauses, der CIA, des FBI und des Pentagon anzuzapfen; wie er sich telefo­nisch in Bank-Computer einschalten und eine Million Dol­lar von einem Konto auf das andere transferieren konnte; wie man telefonisch Fernlenkgeschosse startet und den Dritten Weltkrieg auslöst. Er hat den Weg gewiesen, wie man vermehrte Sicherungsmaßnahmen treffen könnte, um Dinge, wie er sie vollbracht hat, zu verhindern. Natürlich kann der Nächstbeste bereits Mittel und Wege finden, um Captain Crunchs Sicherungsmaßnahmen außer Funktion zu setzen. Wir müssen Verantwortungsgefühl entwickeln und einsehen, dass eine rechtschaffene, glückliche Gesell­schaft keinen Luxus, sondern eine Notwendigkeit darstellt.

Ein Mensch kann realisieren, dass alles, was wir hier dis­kutiert haben, wissenschaftlich möglich ist. Solange man über Religion, Metaphysik usw. spricht, haben die Leute Gelegenheit, sich darüber hinwegzusetzen und sich mit Worten wie „Nun, das ist alles unbewiesen“ aus der Affäre zu ziehen. Wir sprechen hier jedoch über Dinge, die prak­tisch durchgeführt werden können. Wenn wir diese Mög­lichkeiten erst einmal aufgenommen haben, werden wir der enormen Dummheit, der gewaltigen Verschwendung und der ungeheuren Bedrohung, die unserer gewohnten Denk­weise innewohnen erst richtig gewahr. Wenn man diese Gedanken einmal aufgenommen hat, braucht man keine Psychedelika mehr zu schlucken, um einzusehen, dass jeder Moment, jeder Entschluss und jedes menschliche Wesen von Bedeutung ist. Wir alle tragen dazu bei, ob sich das Geschick auf die eine oder die andere Seite wendet. Wir tragen zu der Gewalt, dem Hass, den Vorurteilen und der Brutalität in den zwischenmenschlichen Beziehungen bei, oder wir wenden uns der Liebe, der Intelligenz, der Toleranz und Nachsicht sowie den traditionellen Werken der Barmher­zigkeit zu, wie sie Thomas von Aquin empfohlen hatte. So oder so sind wir jede Minute an der Entwicklung nach der einen oder anderen Seite beteiligt, und innerhalb der näch­sten fünf oder zehn Jahre werden sehr wichtige Entschei­dungen auf uns zukommen.

Wir werden Langlebigkeit und möglicherweise gar Un­sterblichkeit erlangen; wir werden zu den Sternen vordrin­gen und alle unsere bisherigen Stufen des Bewusstseins und der Intelligenz überschreiten. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass wir das bisherige Experiment auf diesem Planeten beenden – dieses Lebensexperiment, das uns so viele schöne Dinge gebracht hat wie Beethovens Musik oder den Gesang einer Lerche. Der Zeitpunkt wäre wahr­lich schlecht gewählt, wollte man das Ganze gerade jetzt in die Luft jagen, wo uns mehr Möglichkeiten offen stehen als je zuvor. Der Gedanke hinter dem SMI²LE-Programm be­wirkt, dass sich die Leute dessen bewusst werden. Nichts, kein Mensch – weder seine Angelegenheiten noch sein Kör­per – ist in Zukunft bedeutungslos. Alles Lebende, jeder Entschluss und jede Minute sind entweder von Liebe und Hoffnung oder von negativen Kräften erfüllt; es liegt an uns, zu wählen!

Baraka

Nicht nur, dass wir uns auf diesem Planeten in Zukunft kei­ne unterdrückten Menschen mehr leisten können; wir kön­nen uns auch nicht mehr mit diesem kindischen Schwelgen in Verzweiflung und Selbstmitleid herumschlagen. Wir müssen zu starken Individuen werden, denn, wie Laotse gesagt hat, „kann man nur Gutes tun, wenn man Gutes fühlt“. Die Umkehrung dieses Satzes stimmt ebenfalls: Man kann nur Gutes fühlen, wenn man Gutes tut.

Eine sehr einfache Übung – die sich stark am Sufismus orientiert – besteht im Übertragen von Baraka auf irgend­welche Gegenstände; so konzentriert man sich beispiels­weise auf das Transformieren positiver Energie auf eine Pflanze. Man kann eine Pflanze mit guter Energie aufladen und damit deren Wachstum verbessern. So kann man mit einfachen Gegenständen dieser Art beginnen und absicht­lich immer mehr und mehr Dinge mit positiver Energie zu erfüllen versuchen, bis man bemerkt, dass die positive Ener­gie auf einen zurückfällt. Diesen Vorgang bezeichnet man in der Alchimie als die Vermehrung der Prima Materia. Es handelt sich dabei um ein sehr einfaches neurologisches Gesetz: Je mehr positive Energie man freisetzt, desto mehr fällt davon auf einen selbst zurück. Ich spreche damit nicht im Sinne eines eher anspruchslosen Systems im Stile von Positive Thinking. Es gibt keine Garantie für Problemlosig­keit, aber je mehr Baraka man auf andere überträgt, um so mehr ist man von einem Netz aus Liebe und Zuwendung umgeben, das einem Schmerz und Elend tragen hilft. Diese Aussage beruht keineswegs nur auf Theorie; sie basiert auf tatsächlicher Erfahrung.

Die Leute scheinen negativen Programmierungen ge­genüber nicht zu zögern – Worte wie „Alles ist hoffnungs­los, gib doch auf“, akzeptieren sie recht schnell. Sagt man ihnen jedoch: „Versuch mehr Liebe zu geben, und du wirst Liebe erfahren“, so wird dies als sentimentale Empfehlung abgetan, die nicht befolgt wird. Man muss nur die tiefe Wahrheit dieser Aussage zu ergründen suchen. Nimm es in Angriff – der Erfolg wird nicht ausbleiben!

Strafrechtslehre

Man beachte einmal das Strafrecht im Hinblick auf die Le­bensverlängerung. Wie lange kann man Leute im Gefäng­nis sitzen lassen, ohne dass es von allen als widerwärtig empfunden wird? Könnte jemand einer siebenhundertjäh­rigen Strafzeit zustimmen? Es scheint, dass sich die Strafrechtslehre nach der allgemeinen Verbreitung der Lebens­verlängerung in zwei Extreme teilen wird. Die eine Rich­tung wird die voll umfängliche Todesstrafe befürworten: „Wir wollen diese Diebe und Mörder nicht zweihundert, siebenhundert oder tausend Jahre lang erhalten.“ Das an­dere Extrem wird das Leben als so kostbar erachten, dass man es weder zerstören noch Leute für so lange gefangen­halten will. Tausend Jahre in einem Käfig zu verbringen ist unmenschlich – und für uns Steuerzahler erst noch teuer. Wir müssen somit eine Lösung für diese Probleme finden. Der erste wichtige Schritt dazu ist die Beseitigung der Ar­mut; damit ist aber das Problem noch nicht bewältigt.

Tim Leary hat vorgeschlagen, dass man alle Straftaten, die keine direkten Opfer fordern, de jure abschaffen sollte. Die­se liberale Einstellung erscheint gewiss allen sinnvoll mit Ausnahme jener puritanischen Fanatiker, die stets be­fürchten, dass sich irgend jemand irgendwo vergnügen könnte, ohne dafür bestraft zu werden. Dann stellt sich aber auch die Frage, wie Vergehen gegenüber dem Besitz – also Diebstähle usw. – zu behandeln sind. Leary und andere li­beral eingestellte Leute sind der Meinung, dass der Krimi­nelle die gestohlene Summe zurückerstatten sollte. Da wir von einer Gesellschaft sprechen, in der immer noch Armut existiert, so dass der Kriminelle seine Schuld nicht zurück­bezahlen kann, müsste das Opfer die Rückerstattung vom Staat erhalten. Der Kriminelle wäre nun im Sinne des Wor­tes dem Staat gegenüber verschuldet – eine Schuld, die er abverdienen müsste –, und das Opfer könnte mit der ausbe­zahlten Summe seinen Verlust ersetzen. Der Kriminelle würde seine Schulden gegenüber dem Staat mit nützlicher Arbeit begleichen; wir hätten einen sprunghaften Anstieg von Waldarbeitern, Spitalhilfen usw. zu verzeichnen, die dem Steuerzahler nicht als Strafgefangene zur Last fallen würden. Nun stellt sich aber noch die Frage, was bei Ver­brechen an Menschen geschehen soll. Die nächstliegende Antwort – ehe wir eine probate Lösung gefunden haben ­liegt in der Trennung solcher Leute von der übrigen Gesell­schaft. Man sollte sie jedoch nicht einfach in Gefängnisse stecken, da sie dort nur noch schlimmer werden.

Die Gefangenschaft ist eine desorientierende, auf neuro­logischer Ebene stattfindende Strafe. Um aus der gegen­wärtigen Situation in den Gefängnissen einen Vorteil zie­hen zu können, muss jemand Kenner in neurologischen Dingen sein. Die meisten Leute empfinden es als Qual und gehen daraus verschrobener hervor, als sie hineingegangen sind. Tim Leary empfiehlt, sie in Kolonien ohne Gefängnis­se zu schicken. Man nehme einen ganzen, beinahe unbe­wohnten Staat und mache daraus eine riesige Kolonie, wo diese Leute mit ihren Freundinnen, Frauen, Familien – oder wer immer mit ihnen gehen will – hinziehen können. Dort sollen sie dann so leben, wie sie sich zu arrangieren vermögen – wie die Pioniere in Australien, die ebenfalls aus kriminellen Kreisen stammten. Man möge uns vor ihnen verschonen, auf dass wir in Zukunft nicht mehr Opfer ihrer Gewalttätigkeit zu sein brauchen. Das wäre sehr viel sinn­voller als das gegenwärtige Bestrafungssystem, bei dem man zusammen mit den übrigen Steuerzahlern die Institu­tionen finanzieren muss, welche sich während fünf oder zwanzig Jahren jener Leute annehmen, die uns finanziell betrogen oder eine von uns geliebte Person umgebracht ha­ben; Institutionen, in denen wir die Mörder mit der idioti­schen Logik umbringen, dass eins und eins null ergibt. Die Todesstrafe wirkt nicht abschreckend, man erreicht damit nichts, sondern kehrt die Probleme lediglich unter den Tep­pich.

Wir befinden uns sozusagen auf einem undichten Ret­tungsboot; je mehr Blut wir verlieren, desto mehr Haie wer­den dadurch angelockt. Wie Buddha sagte: Hass wird nie durch Hass beendet – nur Liebe macht dem Hass ein Ende. Die Gewalt in unserer Gesellschaft verhält sich mengenmä­ßig proportional zu deren Verherrlichung durch die Me­dien. Da findet sich diese allgemeine Idee, wonach die ein­zige Lösung der Probleme im Niederknallen des Böse­wichts besteht. Wir müssen diesbezüglich an der Basis un­eres philosophischen Denkens eine Änderung vorneh­men; wir müssen einsehen, dass jedes menschliche Leben von Bedeutung ist: Somit sind Lebensverlängerung, Kryo­genik usw. eigentlich nichts anderes als eine Erweiterung des pazifistischen Gedankens – ein Ausdruck derselben Sa­che. Wir befinden uns hier – im Vergleich mit Schweden ­in einer fürchterlich gewalttätigen Gesellschaft. Der menschlichen Natur wohnt nichts inne, woraus man schlie­ßen könnte, dass der Mensch so gewalttätig sein muss, wie es die Amerikaner unserer Tage sind.

Generelle Perspektiven

Vergessen wir jenen Tag im Jahre 1928 nicht, als Bucky Ful­ler am Ufer des Michigan-Sees stand und sich hineinstür­zen wollte. Er war bereit, aufzugeben, weil er, mit den Maß­stäben der oberen Mittelklasse gemessen, in die er hinein­geboren war, finanziell versagt hatte. Als Bauingenieur war er erfolglos geblieben, und da seine Tochter gerade an Kin­derlähmung gestorben war, hatte das ganze Universum kei­nen Sinn mehr für ihn; er war bereit, sich kopfüber hinein­zustürzen. Er fasste sich und sagte: „Warte ab, ich bin noch nicht sicher – vielleicht kann ich in diesem Universum et­was vollbringen, das von Bedeutung ist.“ Er fragte sich: „Nun, was kann ich tun? Lass uns mal nachsehen was ein mit durchschnittlicher Intelligenz begabter Mensch voll­bringen kann, wenn er alles, was für gesichert gilt, in Frage stellt und nach Alternativen zu suchen beginnt.“ Ich weiß nicht, ob Bucky Fuller jemals ein Mensch von durchschnitt­licher Intelligenz war, aber indem er alles in Frage stellte, realisierte er, seinen eigenen Worten nach, dass man von der Integrität und Vernunft des Universums überwältigt wird, sobald man nur noch jene Dinge akzeptiert, die experimentell bewiesen werden können. Wie Einstein sagte: „Das Unfassbarste am Universum ist die Tatsache, dass es ver­ständlich ist.“ Und das bestärkt unseren Glauben an jenes gesunde unversehrte Zentrum des Universums, das wir frü­her bereits erwähnt haben. Schrieb doch Ezra Pound in sei­ner Todeszelle in Pisa, beim Anblick der Sterne: „Aus all dieser Schönheit muss etwas kommen.“


Kryogenik und Zukunftsperspektiven
von Robert Anton Wilson und Jerry White ist im Sphinx-Magazin, Ausgabe Nr. 8 im März 1980, im Original Cryonics and Future Perspectives in Future Life, Ausgabe Nr. 12 im August 1979 erschienen.

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