Ein Wunder lebte unter uns

Wortspiel mit Parsons Geburtsvornamen Marvel, der wörtlich „Wunder“ bedeutet (A.d.Ü.)

Ich scheine in einer Nation zu leben, die schlicht nicht weiß was Freiheit ist.
— John Whiteside Parsons, Freedom ls A Two-Edged Sword

Dieses Buch erzählt die Lebensgeschichte eines sehr merkwürdigen, sehr brillanten, sehr komischen, sehr gequälten Mannes, der minde­stens drei hauptsächliche Berufe (oder Berufungen) hatte; er hatte au­ßerdem nicht weniger als vier Namen. Er agierte als Wissenschaftler, als Okkultist, als politischer Dissident und oft als ein schlichter ver­dammter Idiot (genau wie Du und ich). Wissenschaftler, denen seine gewaltigen Beiträge zur Raumfahrt be­wusst sind, nennen ihn meistens John Parsons, und sie haben sogar ei­nen Krater auf dem Mond nach ihm benannt. Jene Okkultisten, denen sein Werk in ihren sehr spezialisierten Künsten bekannt ist, nennen ihn Jack Parsons, der Name, den er selber bevorzugte; in einigen magischen Logen betrachten sie ihn als bedeutendsten Hervorbringer* des Neuen Äons nach Aleister Crowley. Sein bekanntestes Buch, Freedom Is A Two-­Edged Sword, das zunehmend die libertären und anarchistischen Bewe­gungen beeinflusst, nennt seinen Namen als John Whiteside Parsons auf Einband und Titelseite. Und wie die vorliegende Biographie dokumen­tiert, wurde diesem schrägen Vogel tatsächlich zur Geburt der Name Marvel Whiteside Parsons aufgezwungen. Nun ja, wenn meine Eltern mich „Marvel‘, Wunder, genannt hätten, hätte ich meinen Namen auch geändert, vielleicht genauso oft, wie Par­sons es tat.
* i. Orig. progenitor: auch im Sinne von Vorläufer (A.d.Ü.)

Um der größtmöglichen wissenschaftlichen Klarheit willen in Dingen, die üblicherweise in mystischem Nebel oder Psychogelaber belassen werden, verwende ich alle vier Namen Unseres Helden: John Parsons für den Wissenschaftler, John Whiteside Parsons für den libertären Philosophen, Jack Parsons für den Okkultisten und Marvel Parsons die ursprüngliche Vorlage: einen entfremdeten und oftmals naiven Jun­gen, ein Scheidungskind, der versuchte, das, was Okkultisten das Wah­re Selbst nennen, zu finden und zu befreien, indem er die anderen drei Parsons-Personen erschuf und es ihnen gestattete, brutale Kriege in der Einsamkeit seines leidenschaftlichen Gehirns auszukämpfen, bis alle drei Einer wurden. Wird dies hilflos ertragen von einer wahrhaft gebro­chenen Persönlichkeit, nennen wir diesen Bürgerkrieg in der Seele im allgemeinen Multiple Persönlichkeitsstörung: wenn es bewusst ange­strebt wird als ein Pfad der Erleuchtung, der durch Hölle und Fegefeuer zu (mindestens) einer Vision des Paradieses führt, haben wir dafür in unserer gegenwärtigen Kultur keinen Namen, aber jene wenigen, die wie Parsons den hermetischen Eid, zu Wollen, zu Wagen, zu Wissen und zu Schweigen, auf sich genommen haben, nennen es einfach Magick (ausgesprochen mage-ick, so wie in Three Magi).

Marvel Parsons, geboren 1914 in Los Angeles, aber größtenteils auf­gewachsen in der nahegelegenen Ortschaft Pasadena, begann sein Le­ben wie wir alle in dem, was die Tibeter Leere nennen und die Chinesen wu-hsin (ohne Geist*). Ohne Vater aufwachsend, hatte Marvel eine konservative Mittelklas­se-Mutter, die ihn ein wenig zu eifrig liebte (sie beging Selbstmord in­nerhalb von Stunden nach seinem Tod am 17. Juni 1952). Sie lehrte ihn auch, seinen abwesenden Vater zu hassen, einen erwiesenen „Ehebre­cher“ (Horror!). Infolge eines früh entwickelten Interesses an Psycholo­gie diagnostizierte Marvel an sich selbst einen klassischen Ödipuskom­plex, eine zwanghafte Antipathie gegen das „Patriarchat“ (er benutzte das Wort, bevor die Feministen es zur Mode machten) und eine ebenso intensive Abscheu vor allen und jeglichen Autoritätssymbolen, insbe­sondere „Gott dem Vater“. Aber lasst uns 1914 genauer betrachten, das Jahr von Parsons‘ Geburt. Was auch immer Du von Astrologie mit ihrer außerirdischen Ausrich­tung halten magst, ein „weltliches Horoskop“, beschränkt auf irdische Belange, sorgt allemal für amüsante Einsichten.
* i. Orig. no mind (A.d.Ü.)

Die irdische Welt, die Marvel Parsons formte, sah so aus: Der Erste Weltkrieg hatte am 28. Juni des Jahres begonnen; bevor 1914 endete, geschah der erste Luftangriff auf zivile Bevölkerungsgrup­pen (Deutschland flog ihn gegen Frankreich), und die blutigen Gefechte an der Marne, von Tannenberg, Gent und insbesondere Ypern bewiesen, dass „zivilisierte“ moderne Menschen noch unmenschlicher und wahn­sinniger handeln konnten als irgendwelche Barbaren der Vergangen­heit.

Die Polizei verhaftete den legendären Arbeiterheld John Hill am 13. Januar in Utah für einen Mord, den er mit allergrößter Sicherheit nicht begangen hatte, und der Staat exekutierte ihn im folgenden Jahr. Seine letzten Worte: „Weint nicht um mich, Jungs – organisiert Euch!“ wurden ein Mantra für Gewerkschaftsmitglieder für Jahrzehnte danach. In Colorado ermordeten John D. Rockefellers angeworbene Schläger 21 Leute (darunter 11 Kinder) während eines Zusammenstoßes mit an­deren Arbeiter-„Radikalen“. Linke protestierten vor Rockefellers New Yorker Büro und wurden dafür verhaftet: ein Gerichtsbeschluss verbot jeglichen sonstigen Leuten, mit Transparenten oder Schildern vor jenem sakrosankten Schrein des Allmächtigen Dollar zu marschieren. Der Schriftsteller Upton Sindair erschien am nächsten Tag mit einem leeren Schild und sagte Reportern, dass das freie Wort gestorben sei. Suffraget­ten marschierten am 28. Juni nach Washington, wo sie gleiche Rechte für Frauen forderten.

In England erschien Dubliners, das erste Buch eines irischen Autors mit Namen James Joyce; und in Amerika brachte Edgar Rice Burroughs Tarzan von den Affen hervor. Musikalisch wurden uns allen drei große Schätze zuteil, „The Colonel Bogey March“, „Saint Louis Blues“ und „12th Street Rag“. Im Film zeigte D. W. Griffith in The Mother and the Law (Die Mutter und das Gesetz) den Missbrauch der Frauen durch „das Patriarchat“.

Margaret Sanger führte den Begriff „Geburtenkontrolle“ in The Wo­man Rebell (Der weibliche Rebell) ein und floh dann nach England, um der Verhaftung für das „Verbrechen“ der Veröffentlichung expliziter Details der Verhütung zu entgehen. Charles Taze Russell, Gründer der Zeugen Jehovahs, verkündete, dass die Apokalypse am 2. Oktober beginnen würde – zufällig oder synchro­nistisch derselbe Tag, an dem Marvel Whiteside Parsons (der sich spä­ter, als Jack Parsons, der Antichrist nennen würde) aus dem Bauch seiner Mutter hervorkam oder aus noch dunkleren Orten und anfing, zu forschen und sich mit diesem Planeten einzulassen.

Wieder zurück nach England: ebenfalls 1914 führten Aleister Crowley (reimt sich auf holy) und seine gegenwärtige Geliebte, die Violinistin Leila Waddell, in London etwas auf, das sich „Die Riten von Eleusis“ nannte – mehrere Nächte mit quasi-freimaurerischem Ritual, Musik, Dichtung, Ballett und Theater. In der ersten Nacht informierten die Darsteller das Publikum nach Nietzsche-Art „Gott ist tot“ und trauerten und weinten um die verblichene Gottheit: danach wurden die Dinge noch merkwürdiger, wie die Bardos* im Tibetanischen Totenbuch – und in der letzten Nacht empfing das Publikum „Das Elixier der Götter“, einen Wein, der eine hohe Dosis der psychedelischen Droge Meskalin enthielt. Während sie mir nichts dir nichts das Chaos und die Leere betraten, verkündete ein Chorus das Heraufdämmern eines Neuen Äons, das auf Rabelais“ Gesetz von Thelema beruhte – „Tu, was Du willst“ …
* Bardo: tibet. Begriff für verschiedene Zustände zwischen Tod und Wiedergeburt, beschrieben im Bardo-Thödol, dem tibetanischen Totenbuch (A.d.Ü.)

Und Doublemint-Kaugummi erschien auf dem Markt, hergestellt von William Wrigley … All dies beeinflusste Marvel unleugbar ebenso sehr oder noch mehr als irgendwelche entfernten Sterne oder Planeten. Die Schrecken des Welt­krieges prägten ihn mit einer wunden Wahrnehmung der dunklen Seite der „menschlichen Natur“: einige Teile von Freedom Is A Two-Edged Sword klingen so bitter wie Swift oder Twain in ihrer äußersten Misan­thropie. Marvel eignete sich des weiteren eine echte Sympathie für ar­beitende Menschen an und das Bewusstsein der brutalen Gewalt hinter dem Kapitalismus und den kapitalistischen Regierungen verließ ihn nie: obwohl er selbst ein Ultra-Individualist war, hatte er mehr als einen marxistischen Freund (was dazu führte, dass er während der McCarthy ­Ära buchstäblich geteert und gefedert wurde).

Da stand er wie das Leben so groß
Und lachte mit diesen Augen
„Was sie zu ermorden vergaßen,“ sprach Joe
„fuhr fort, sich zu organisieren.“

Margaret Sanger und die Suffragetten hinterließen ebenfalls ein Zei­chen: kein männlicher Schriftsteller seit John Stuart Mill im 19. Jahr­hundert hat mehr Empathie für den Feminismus gezeigt als John Whi­teside Parsons.

Der „Saint Louis Blues“ half, das Jazz-Zeitalter zu erschaffen in dem Marvel anfing, sich vom Jungen zum Mann zu entwickeln. Und wie Russell und die Zeugen Jehovas wuchs er mit der Überzeugung auf, dass die Welt in einen Kampf auf Leben und Tod zwischen Kosmischen (oder zumindest Archetypischen) Mächten eingetreten war – aber er schrieb sich auf der Seite der Rebellen ein, da er das, was wir heute den Lo­gophallozentrismus „Gott der Vater“ nennen, noch mehr hasste, als es unser gegenwärtiger Schwung feministischer Theologinnen tut. Obwohl er (wie angemerkt) die ödipalen Wurzeln dieser Einstellung sehen konn­te, erkannte/betrachtete* er sie auch als eine Entscheidung für Licht und Freiheit, gegen Tyrannei und Aberglaube.
* i. Orig. perceived/conceived (A.d.Ü.)

Aleister Crowley und sein Neues Äon sollten später Marvel in Jack Parsons umwandeln. Ich weiß nicht, wie Wrigleys Doublemint Gum in diese Liste irdischer Zeichen und Omen hineinpasst, die die Genesis von Marvel Parsons um­geben. Aber ich bin sicher, dass dieser oder jener Student der Crowleya­na mir schreiben und es erklären wird, nachdem dieses Buch erschienen ist.

Dann verwandelte ein weiterer Haupteinfluss Marvel Parsons in John Parsons und John Whiteside Parsons in Jack Parsons: in seiner Teena­gerzeit entdeckte er ein verachtetes und verrufenes Genre der Trivial­literatur, das (zu jener Zeit) verwirrenderweise bekannt war als entwe­der Science-Fiction oder Science-Fantasy. Von der Gegenwart aus be­trachtet sehen die Sci-Fi-Anhänger jener Zeit aus wie ein Haufen von Hintertreppen-Surrealisten, die den Ideenroman wiedererfunden und zurechtgeschneidert hatten für Magazine mit Namen wie Thrilling Wonder Tales. Die Unsicherheit darüber, wie sie ihr Produkt nennen sollten, bezeichnete das Zeitalter beschleunigter Veränderung, in dem Parsons wie auch diese Literatur heranreiften: nachdem Jules Vernes „Fantasy“-U-Boot in den Meeren der realen Welt erschien, war sich niemand mit mehr Gehirnzellen als ein Schimpanse oder ein Funda­mentalist noch völlig sicher über die Unterschiede zwischen dem Wahrscheinlichen, dem Unwahrscheinlichen und dem vollkommen Unmögli­chen.

Wenn Vernes U-Boot materialisiert werden konnte, warum dann nicht seine Mondrakete? Die Frage erregte eine Menge anderer Jungen außer Marvel Parsons – aber anders als bei den meisten von ihnen machte er was daraus. Er wurde John Parsons, fast mit Gewissheit (wie dieses Buch dokumentiert) die eine Einzelperson, die am meisten zur Rake­tenwissenschaft beitrug. Zwei der Institutionen, die er aufzubauen half, das Jet Propulsion Labaratory in Pasadena und die Aerojet Corporation, spielen immer noch eine große Rolle in der Weltraumforschung.

Du wirst mehr über John Parsons‘ anerkannte wissenschaftliche Er­rungenschaften im folgenden Text erfahren: ich werde mich auf seine anderen, immer noch umstrittenen Arbeiten konzentrieren. Bitte erin­nere Dich nur, dass, als er anfing, Raketen zu bauen, diese den meisten Leuten als genauso „bekloppt“ erschienen wie alles andere, was er tat. Und doch befreiten seine sorgfältigen wissenschaftlichen Experimente die Menschheit vom Terrazentrismus und zeigten uns den Weg zu einem Schicksal in den Sternen.

Der Raketeningenieur John Parsons freundete sich außerdem mit den führenden „Fantasy“- und „Sci-Fi“-Autoren im Los Angeles/Pasadena ­Gebiet an und trat in eine Subkultur ein, in der keine Idee zu verrückt zum Diskutieren erschien: eine Welt, in der etablierte Wissenschaft, Grenzwissenschaft, Pseudo-Wissenschaft, philosophische Spekulation und visionäre Vorstellung wild durcheinanderliefen – kurz, eine Welt, die die meisten der „seltsamen und komischen“ Ideen voraussah und zu erzeugen half, die heute jeden Aspekt unserer Kultur infiltriert haben, außer den allerreaktionärsten Enklaven Mississippis und des US­-Kongresses.

Es bedurfte damals wie heute keines großen Sprunges, um von der Futuristisch-Fantastischen Welt zu Sex, Drogen und Magick überzuge­hen. Wenn dir die Star Trek und Star Wars-Filme wirklich Spaß ge­macht haben oder wenn Du je, selbst im Spaß, einem Freund gesagt hast „Lebe lange und gedeihe“ oder „Möge die Macht mit Dir sein“ oder Dungeons & Dragons gespielt oder ab und an einen Joint geraucht hast, in irgendeiner Weise am New Age und/oder dem neuheidnischen Wie­dererwachen teilgenommen hast – zwei popularisierte (verdünnte) Aspekte von Crowleys Neuem Äon – oder selbst wenn Du je die Regie­rung vom Bauch (sexuelle Freiheit) wie vom Buckel (Marktfreiheit*) haben wolltest – dann hast Du einen Teil empfangen von dem großen Erbe von John Parsons und seiner fröhlichen Bande von Wissenschafts­fans, Zauberern und Subversiven.
* damit ist nicht die sogenannte „freie Marktwirtschaft“ gemeint (A.d.Ü.)

Man muss es mal so sehen: in John Parsons‘ 1930er-1940er Sci-­Fantasy-Welt hatte jeder, den er kannte, bereits begonnen, die mögliche „Menschlichkeit“ und „Menschenrechte“ von und für Außerirdische und Roboter zu diskutieren; sie schufen alternative Gesellschaften, die viel rationaler und abenteuerlicher waren als die meisten „normalen“ Leute jener Zeit es sich überhaupt vorstellen konnten; sie nahmen an (teils dem Einfluss von Alfred Korzybski und der Allgemeinen Semantik* ge­schuldet), dass Information und Technologie ihre synergetischen Be­schleunigungen weiter erhöhen, mehr noch, als sie es im vorigen Jahr­hundert getan hatten (Parsons‘ Freund, Sci-Fi-Psi-Autor A. E. van Vogt, hatte mit Korzybski persönlich studiert); sie schufen Alternative Welten, in denen alles, was gegenwärtig als dämlich betrachtet wird – von neuen Wirtschaftssystemen bis zu lang unterdrückten gnostischen Doktrinen ­so wirksam funktionieren könnte wie der Bleistiftanspitzer.
* General Semantics, Anfang der 30iger Jahre von Alfred Korzybski geprägter Begriff zur Be­zeichnung einer neuen, nicht-aristotelischen Theorie der Bewertung und Voraussicht menschli­cher Problemlösungen, formuliert in Alfred Korzybski, Science and Sanity. An lntroduction to non-aristotelian Systemsand General Semantics (A.d.Ü.)

Robert Anson Heinlein, ein weiterer Freund von Parsons, schrieb ei­nen Roman, Waldo*, in dem alle Künste der Magick nicht nur wissen­schaftliche Akzeptanz gewonnen haben, sondern Technologien geworden sind, die täglich von jedermann benutzt werden. Heinlein schrieb au­ßerdem, etwas später, Stranger In A Strange Land**, den ersten Sci-Fi-­Roman, der die Bestsellerliste der New York Times eroberte, und man­che behaupten nach wie vor, dass John Parsons‘ magisch-libertäre Ideen jede Seite davon durchdringen – Pax, Mr. Carter!
* dt. erschienen: Robert A. Heinlein, Waldo-Magie GmbH (A.d.Ü.)
** dt. erschienen: Robert A. Heinlein, Fremder in einer fremden Weit (A.d.Ü.)

Die hochgeistige und abgefahrene Umgebung von Typen wie van Vogt und Heinlein zu verlassen und der Offiziellen Realität der Vereinigten Staaten jener Tage zu begegnen und sie zu ertragen, erschien Parsons möglicherweise als Zeitreise zurück ins finstere Mittelalter.

In dieser Offiziellen Realität koexistierten christliche Frömmigkeit und kapitalistische Beutemacherei als gleichermaßen geheiligte Idole, obwohl sie einander total widersprechen. Dummheit, Aberglaube und Intoleranz hielten die meisten Amerikaner in mittelalterlicher Erbärmlichkeit gefangen, sowohl mental als auch ökonomisch: viele Menschen hatten nicht jene „Menschlichkeit“ und „Menschenrechte“, die Parsons‘ Freunde technisch hochentwickelten Robotern zugestehen würden (d.h. all jene Menschen, eine dunklere Gesichtsfarbe hatten als Schneewittchen, galten als nicht- oder untermenschlich in der öffentlichen Meinung wie vor dem Gesetz. Wir kämpften wahrhaftig einen Krieg gegen den Faschismus mit einer rassegetrennten Armee.) Fast alle rationalen oder abenteuerlichen Ideen trafen auf blinde Bigotterie und oftmals auf gewaltsame Verfolgung; Empfängnisverhütung, Scheidung und Abreibung blieben wieterhin entweder auf lokaler oder auf Bundesebene illegal; Homosexualität und Bisexualität existierten nicht oder jedenfalls konnte niemand in den großen Medien zugeben, dass sie existierten; Sex im allgemeinen erschien als so „schmutzig“, dass in den Filmen jener Zeit selbst verheiratete Paare in getrennten Betten schliefen, damit keiner den Verdacht haben könnte, sie würden gelegentlich miteinander ficken; all die anderen Freuden der Liebe, deren sich die meisten Ehegatten erfreuen, blieben illegal, mit Strafen belegt, die bis zu 20 Jahren Gefängnis reichten; Fälle von religiösem Irresein ähnlich wie bei Falwell und Robertson verkauften einer leichtgläubigen Öffentlichkeit nicht nur Hass und Intoleranz, sondern es wagte auch keiner, sich dagegen zu wehren oder bloß zynische Witze über sie zu reißen; als die erste wissenschaftliche Untersuchung über menschliche Sexualität erschien, wurde ihr Autor, Dr. Alfred Kinsey, von allem außer fliegender Affenscheisse getroffen – seinem Recherche-Partner Dr. Pomeroy zufolge starb Dr. Kinsey buchstäblich vorzeitig an den Beschimpfungen, die er erlitt.

Natürlich beschleichen immer noch Furcht und Aberglaube diese Nation; aber in jenen Tagen beherrschten sie sie total. Parsons konnte nur zu der Schlussfolgerung kommen, dass Amerikaner, die behaupteten, die Freiheit zu lieben, sie in Wirklichkeit fürchteten, hassten und sie niederhalten wollten mit mehr und immer tyrannischeren Gesetzen. Sie hatten willig ihre Freiheit an „lügende Priester, verschwörerische Richter, erpresserische Polizei“ und andere Schergen der Tyrannei abgegeben, wie er 1946 schrieb. Aber John Oarsons, Düsenstrahlantriebs-Pionier, war da schon Jack Parsons geworden, Sex-Magier – nachdem er den Ordo Templi Orientis entdeckt hatte und ihm beigetreten war. Der Ordo Templi Orientis behaptet, dass er direkt von den Bayrischen Illuminaten des 18. Jh. abstammt. Lass uns das für einen Moment betrachten.

Wer brachte das Leuchten in die Er-leucht-ung?
Ich muss nicht hinzufügen, dass Freiheit eine gefährliche Sache ist. Aber es ist kaum möglich, dass wir alle Feiglinge sind.
— John Whiteside Parsons, Freedom Is A Two-Edged Sword

Inmitten der endlosen Knotroverse um sie sind sich alle einig, dass die Bayerischen Illuminaten am 1. Mai 1776 in Ingolstadt, Bayern, anfingen, geschaffen von einem Freimaurer (und früheren Jesuiten) mit Namen Adam Weishaupt. Der Encyclopedia Britannica zufolge gelang es den Illuminaten, viele Freimaurerlogen zu beeinflussen und sie gewannen „eine führende Position“ in der Bewegung des anti-royalistischen, anti-paptistischen und pro-demokratischen „säkularen Humanismus“. Sie zogen Männe der Literatur wie Goethe und Herder an, aber die ganze Bewegung kam an ihr Ende, als die bayerische Regierung die Illuminaten 1785 verbot. So sagt es der Standardeintrag.

Viele Verschwörungsjäger glauben eher an die entschieden paranoiden Memoiren des Jakobinismus von Abbé Augustin Barruel, der glaubte, dass sich die Illuminaten nach 1785 einfach unter anderen Decknamen neu formierten, hinter der Französischen Revolution steckten und weiter existierten bis in die Zeit, in der er schrieb (1806). Moderne Anti-Illuministen glauben, dass es sie heute noch gibt, obwohl sie sich oft uneinig sind, ob die Illuminaten sich wirklich für einen säkularen Humanismus einsetzen. Die meisten Fundamentalisten glauben, dass sie das tun, aber andere mit lebhafteren Vorstellungen verdächtigen sie, dass sie Jazz, Rock ’n‘ Roll, Kommunismus, Faschismus, Anrarchismus, Satanismus, internationales Banking, rituellen Kindesmissbrauch oder irgendeine Kombination davon auslösen.

Nach dem Freimaurer-Geschichtsschreiber Albert G. Mackey hatten die Illuminaten auf ihrem Höhepunkt nur 2000 Mitglieder in Freimaurerlogen in Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Schweden, Polen, Ungarn und Italien. Mackey betont, dass Baron Knigge, eines der mächtigsten, aktivsten Mitglieder der Illuminaten, sein ganzes Leben lang ein frommer Christ blieb und nicht so hart für den Orden gearbeitet hätte, wenn er wirklich, wie Abbé Barruel und andere behaupten, die Abschaffung des Christentums beabsichtigte.

Ein neuer Orden der llluminaten erschien 1880, gegründet von dem freimaurerischen Drogisten Theodor Reuß in München. 1896 gründeten Reuß und seine Okkultisten-Kollegen Leopold Engel und Franz Hartmann zusammen die Deutsche Theosophische Gesellschaft und 1901 lieferten oder fälschten Engel und Reuß eine Charta, die ihnen die Autorität über die erneuerten Illuminaten Weishaupts verlieh. 1901 eröffneten Reuß, Hartmann und der Metallurge Karl Kellner den Ordo Templi Orientis und um 1912 verlieh Reuß den Neunten Grad des Ordo Templi Orientis an Aleister Crowley mit der Behauptung, dass Crowley bereits das okkulte Geheimnis dieses Grades kenne. (Crowley reimt sich auf holy, erinnerst Du Dich?- besaß bereits den 33. Grad des Schottischen Ritus und den 97. Grad des Ordens von Memphis und Mizraim.) Reuß bestellte später Crowley zu seinem Nachfolger als Äußeres Oberhaupt* des Ordo Templi Orientis. Vom Inneren Oberhaupt wird angenommen, dass es unsichtbar und den Un-Illuminierten unzugänglich bleibt. (Hinweis: meditiere über den Zen-Koan: „Welcher wundervolle Magier macht das Gras grün?“)
* O.H.O., Outer Head of the Order, Oberhaupt des Ordens, das ihn in äußeren Belangen vertritt (A.d.Ü.)

Crowley zählt Adam Weishaupt, den Gründer der llluminaten des 18. Jh., zu den Heiligen seiner Gnostisch-Katholischen Messe, die regelmäßig in allen Logen des Ordo Templi Orientis abgehalten wird. Aber jene Liste der Heiligen enthält solche schrägen Typen wie König Artus, Mohammed, Parsifal, Buddha, Rabelais, Papst Alexander Borgia, Swinburne, Paracelsus, Sir Francis Bacon, John Dee, Goethe, Wagner, Nietzsche, Sirnon Magus, König Ludwig II („den verrückten König von Bayern“) und den Maler Paul Gaugin …

Bevor er starb, setzte Crowley einen gewissen Karl Germer (einen Überlebenden eines Nazi-Konzentrationslagers) als seinen Nachfolger als Äußeres Oberhaupt ein, aber Germer selbst versäumte es, sich um dieses kleine Detail zu kümmern, und als er starb, erschienen plötzlich mehrere Anwärter auf der Bildfläche. Ich zählte zu einem Zeitpunkt Mitte der 80er 1005 wettstreitende Anwärter, ich selber unter ihnen. (Ich hatte jene Ehre von einer Gruppe Rebellen gegen Kenneth Grant erhalten, einem kämpferisehen Äußeren Oberhaupt in London, der sich immer noch als das einzige echte Äußere Oberhaupt bezeichnet. Ich trage die Karte, die Grants illoyale Gegnerschaft mir sandte, immer bei mir; darauf steht: „Der Träger dieser Karte ist ein echtes und autorisiertes Äußeres Oberhaupt des Ordo Templi Orientis, also behandeln Sie ihn BITTE richtig“, sie trägt magisch/anachronistisch die Unterschrift Aleister Crowleys – oder eines begabten Fälschers.)

Drüben auf dieser Seite des großen Teiches haben die Bundesgerichte entschieden, dass der Titel Ordo Templi Orientis einzig und auf immer jenen Jungs und Mädels gehört, die im World Wide Web vertreten sind und haben ihm des weiteren den Status der Steuerfreiheit als einer gemeinnützigen Gesellschaft und religiösen Körperschaft zuerkannt. Diese Gruppe stammt direkt von der 1930er-1940er Agape Lodge des OTO ab, die Jack Parsons einst leitete.

Wie wir erwähnten, wurde Aleister Crowley 1912 ein Eingeweihter des OTO. Dies geschah, weil er eine mystische Abhandlung und/oder ein Buch mit schmutzigen Witzen veröffentlicht hatte, das perverser- oder paradoxerweise das The Book of Lies (Falsely So Callecd) betitelt ist. Das Äußere Oberhaupt zu jener Zeit, Theodor Reuß, kam zu Crowley und sagte, dass, da er, Crowley, das Geheimnis des Neunten Grades kenne, er diesen Rang im OTO und die dazugehörigen Verpflichtungen annehmen müsse. Crowley wandte ein, dass er ein solches Geheimnis nicht kenne, aber Reuß zeigte ihm ein Exemplar des Book of Lies und wies auf ein Kapitel, das jenes große Geheimnis recht offen enthüllte. Crowley schaute auf seine eigenen Worte und „Sofort blitzte es in mir auf. Der gesamte Symbolismus nicht nur der Freimaurerei, sondern auch vieler anderer Traditionen erstrahlte in meiner geistigen Vision … Ich verstand, dass ich in meinen Händen den Schlüssel für den zukünftigen Fortschritt der Menschheit hielt.“

Crowley sagt uns natürlich nicht, welches Kapitel das Geheimnis enthält. Du kannst viele glückliche Stunden, Tage, vielleicht sogar Monate oder Jahre damit zubringen, über jenem kryptischen Band zu grübeln auf der Suche nach dem richtigen Kapitel und dem letztendlichen Geheimnis.

Wir sollten uns an dieser Stelle vor Augen halten, dass vor seiner Mitgliedschaft im OTO auch Aleister Crowley eine Ausbildung erhielt, mitunter kurz und mitunter viel länger andauernd, in solchen Traditionen wie Taoismus, Buddhismus, Hinduismus und Sufismus; und wir sollten festhalten, dass er an der Garnbridge University organische Chemie im Hauptfach studierte. Er wiederholte oft sein Engagement für „die Methode der Wissenschaft, das Ziel der Religion.“ Seine Arbeit als Äußeres Oberhaupt brachte den OTO in radikal neue Richtungen, sowohl wissenschaftlich als auch sexuell. Jetzt wird es richtig unheimlich für die Fundamentalisten.

Sex and Drugs and Rock and Roll

In diesen Erfahrungen wird das Ego total verändert oder vollkommen zerstört in jenem Tod, der einer Wiedergeburt in das Leben vorausgehen muss. Der Schrecken, die Todesqual und Verzweiflung, die diesen Prozess begleiten, können nicht verringert werden.
— John Whiteside Parsons, Freedom ls A Two-Edged Sword

Zwei kürzlich erschienene Bücher, die einiges Licht auf diese verworrenen Sachen werfen, verdienen an diesem Punkt etwas Aufmerksamkeit – The Hiram Key und The Second Messiah. Die Autoren beider Bücher, Knight und Lomas, beide selber Freimaurer, behaupten, dass sie „Zuspruch und Gratulationen“ von „Hunderten“ anderer Freimaurer erhalten haben – obwohl sie eingestehen, dass ihre Untersuchung mit feindlicher Stille von der Vereinigten Großloge von England begrüßt wurde, einer der konservativeren freimaurerischen Körperschaften. Im Grunde versuchen Knight und Lomas zu beweisen, dass die Freimaurerei nicht nur bis ins alte Ägypten zurückzudatieren ist – wie es bisher nur die romantischsten Freimaurer behauptet haben- sondern dass sie auch ein Haupteinfluss auf die „Jerusalemer Christenheit“ darstellte, der frühesten Form des christlichen Glaubens, welche der Heilige Paulus und andere Sexmaniacs verfolgten und in den Untergrund trieben. Als das offizielle römische Christentum vorherrschend wurde, überlebte das ursprüngliche oder „Jerusalemer“ Christentum, indem es sich in diversen gnostischen „Häresien“ verbarg, wie Knight und Lomas sagen, und es wurde erst wieder eine bedeutende Kraft, als es von den Tempelrittern wiederentdeckt und von ihnen als ihre eigene geheime innere Doktrin angenommen wurde. Als die Templer von der Inquisition urteilt wurden (1308), benutzten die Überlebenden verschiedene weitere Namen, bis sie als „Freimaurer“ im 17. oder 18. Jahrhundert wieder auftauchten.

Bestandteile dieser These sind in anderen Büchern erschienen – das Überleben des Urchristentums im Untergrund zum Beispiel liegt der Beweisführung des berühmten Holy Blood, Holy Grail von Baigent, Lincoln und Leigh zugrunde – aber Knight und Lomas haben das Puzzle in überzeugenderer Weise zusammengeführt als irgendeiner ihrer Vorgänger.
* dt erschienen: Lincoln/Baigen/Leigh, Der Heilige Gral und seine Erben (A.d.Ü.)

Aber was ist mit dem ursprünglichen ägyptischen „Mysterium“, aus dem diese Untergrundtradition hervorging? Versuchen Knights Lomas so weit zurückzutauchen und zu behaupten, sie fänden eine überzeugende Antwort? In der Tat, das tun sie. Sie beteuern, dass sich der zentrale freimaurerische „Mythos“ des Sohnes der Witwe, Hiram – der Erbauer von Salomons Tempel, ermordet aufgrund seiner Weigerung, „das Maurerwort“ drei Schlägern zu eröffnen – von tatsächlichen Ereignissen in Ägypten herleitet. Das „Maurerwort“ sei nicht ein Wort im üblichen Sinne, sondern fungiert als ein kodierter Euphemismus, der auf ein Geheimnis verweist. („Noch ein verdammtes Geheimnis?“ kann ich dich aufheulen hören. Geduld!)

Jeder neue Pharao musste, bevor er den Thron bestieg, den Himmel besuchen und unter die Götter aufgenommen werden. Nur nach dieser andersweltlichen Reise konnte der Pharao von den Priestern und von sich selbst akzeptiert werden als jemand, der für die göttlichen wie auch politischen Funktionen des Königtums geeignet war, wie man sie sich in jenen Tagen vorstellte. Diese Reise zu den höchsten Sternen, wo. die Götter leben, beinhaltete ein magisches Ritual, das etwas, was Knight und Lomas als ein „Narkotikum“ bezeichnen, verwendete. Als der letzte Pharao der eingeborenen Dynastie sich weigerte, die Geheimnisse dieses Rituals der neuen Hyksos-Dynastie zu eröffnen, töteten sie ihn nach der Art des Sohnes der Witwe. Das verlorene „Wort“= die Details des Rituals der Erleuchtung und der Name des benutzten „Narkotikums“. Es scheint mir, dass Knight und Lomas aufgrund ihrer Ignoranz der Psychopharmakologie dieses letzte Detail missverstanden haben. Narkotika erlauben es Dir nicht, zwischen den Sternen zu gehen und mit übermenschlichen Intelligenzen zu kommunizieren. Sie töten Schmerz, sie stumpfen Angst ab, sie schlagen Dich bewusstlos; und üblicherweise machen sie Dich abhängig: das ist alles, was sie tun. Fast sicher gehörte der Zaubertrank, der in dem Ritual benutzt wurde, nicht zur Familie der Narkotika, sondern zu der der Entheogene -jene Art Drogen, die auch Psychedelika genannt werden. Entheogene rufen „mystische“ und göttliche Erfahrungen hervor und zumindest eines davon, vielleicht zwei, erfreuten sich seit Urzeiten einer weitverbreiteten religiösen Anwendung unter den indoeuropäischen Völkern – Amanita Muscaria* mit Sicherheit und möglicherweise Psilocybin, beides Mitglieder der Gruppe der „magischen Pilze“.
* der Fliegenpilz (A.d.Ü.)

Du kannst mit Leichtigkeit gelehrte Werke auffinden, die diese Deutung der Art und Weise, wie die Menschheit sich zuerst Höherer Intelligenzen bewusst wurde, unterstützen. Siehe insbesondere Pujarichs The Sacred Mushroom, Allegro’s The Sacred Mushroom and the Cross**, Wassons Soma: Divine Mushroom of lmmortality, Wasson et al. Persephone’s Quest: Entheogens and the Origins of Religion, LeBarres Ghost Dance: Origins of Religion, Peter Lamborn Wilson’s Ploughing the Clouds: The Search for Irish Soma, mein eigenes Sex, Drugs and Magick – und ganz besonders Terence McKennas Food of the Gods, das den Beweis zu führen sucht, dass alle existierenden Religionen aus altsteinzeitlichen Ritualen hervorgingen, die Entheogene und Gruppensex benutzten, um Ego-Transzendenz und kosmisches Bewusstsein zu erzielen. Du kannst immer noch den uralten sexuellen Symbolismus sogar in solch römischen Ikonen wie dem Heiligen Herz und dem Kreuz erkennen: das erstere sieht ganz und gar nicht wie ein Herz aus, sondern wie eine schwellende Vagina und das letztere hat die Umrisse eines Penis mit Hoden.
* dt. erschienen: John M. Allegro, Der Geheimkult des heiligen Pilzes – Rauschgift als Ursprung unserer Religionen (A.d.Ü.)
** dt. erschienen: Terence McKenna, Die Speisen der Götter

Jack Parsons‘ Magick und John Parsons‘ Wissenschaft bilden eine größere Einheit, als die meisten Menschen sich vorstellen können. Sie zielen beide auf die Sterne. Übrigens, überall in Nordeuropa zeigt traditionelle Kunst die Feen-Leute und Zauberer umgeben von Pilzen, üblicherweise den „liberty cap“-Pilz, der heute als Psilocybin-Pilz identifiziert ist*, derselbe, der von indianischen Schamanen seit ungefähr 4000 Jahren benutzt wird. Der irisch-gälische Name für diesen fabelhaften Pilz, Pokeen, bedeutet kleiner Gott. („Kleine Fee“ in modernem Gälisch, aber pook stammt letztlich von bog, der indoeuropäischen Wurzel für „Gott“.)
* Psilocybe semilanceata, Spitzkegeliger Kahlkopf (A.d.Ü.)

Crowley sprach im Namen dieser Tradition, als er sagte, dass wahre Religion immer Dionysos, Aphrodite und die Musen anruft, die er auch „Wein Weib und Gesang“ nannte. Heutzutage nennen wir diese Trinität der Magick Sex and Drugs and Rock ’n‘ Roll und feiern sie bei Raves, die beängstigend den frühesten Regungen des kosmischen Suchens der Ahnen gleichen, die sich in Tierfelle kleideten und noch mehr wie Gorillas aussahen als wir es tun. Ich habe den schlimmsten Schock für „gute, anständige Amerikaner“ bis zum Ende dieses Abschnitts aufgehoben. 1986 fanden Forscher ein weiteres, (ungefähr) 2000 Jahre altes Manuskript nahe derselben Nag Hammadi-Höhlen, wo die „Schriftrollen vom Toten Meer“ ans Licht gekommen waren. Unter dem Titel The Secret Book Of Judas Of Kerioth von Mohammed al-Murtada und Francis Bendik ins Englische übersetzt, zeigt dieses Buch Jesus als den bisexuellen Liebhaber von sowohl Maria Magdalena als auch dem heiligen Johannes und beschreibt des weiteren das Letzte Abendmahl als ein entheogenisches Sakrament, das magische Pilze beinhaltete. Es enthält eine Einführung und einen mitlaufenden Kommentar von Dr. Maxwell Selander vom Briggs-Welton Seminar für Theologie und Du kannst eine Kopie von Abrasax Books in Corpus Christi, Texas beziehen. Es wird die Schaltkreise jedes Fundamentalisten durchbrennen lassen, weißt Du … Klingt irgendwie, als ob der historische Jesus im Unterschied zum mythischen Christus eine Menge mit Jack Parsons gemeinsam hatte, nicht wahr?

Der Antichrist

Der Zeitpunkt, für die Freiheit zu kämpfen, ist der Zeitpunkt, wenn die Freiheit bedroht ist, nicht der Zeitpunkt, wenn die Freiheit zerstört ist, denn dieser letzte Zeitpunkt ist zu spät. Die Freiheit ist jetzt bedroht, die Zerstörung der Freiheit ist nicht weit entfernt. Jetzt ist die Zeit, zu kämpfen.
— John Whiteside Parsons, Freedom ls A Two-Edged Sword

In jedem Bundesstaat kämpfen Fundamentalisten immer noch darum, jegliche Wissenschaft zu verbieten, die ihnen missfällt und verfolgen all jene, die sie lehren. Für sie bezeichnen die „traditionellen Familienwerte“ ihr Recht, ihre Kinder in Unwissenheit zu halten wie bereits ihre Großeltern (und dieselben Leute zu hassen, die Opa hasste). Der Kampf unserer Regierung gegen „Sünde“, d.h. gegen alle Formen von individuellem Geschmack und Laune, kostet gegenwärtig die Steuerzahler (auf Bundes- wie lokaler Ebene) 450 Mrd. Dollar (450.000.000.000 $) in jedem Jahr, nach Peter McWilliams*. Das ist die Rechnung für alle Arten der Regierungseinmischung in das Privatleben von Leuten – d.h. den grundlosen und hoffnungslosen Versuch, „einverständliche“ oder „opferlose“ Verbrechen auszurotten- Porno, Prostitution, Spiel, religiöser oder freizeitmäßiger Gebrauch von Entheogenen usw. Wer entscheidet, welche einverständlichen oder opferlosen Handlungen „Verbrechen“ werden sollten? Die sogenannten Christen, die das originale „Jerusalemer Christentum“ in den Untergrund trieben, die Heilige Inquisition einführten und immer noch unter dem zu leiden scheinen, was H. L. Mencken als „die quälende Furcht, dass irgendwer irgendwo eine schöne Zeit haben könnte“, bezeichnete: die „lügenden Priester, verschwörerischen Richter, erpresserische Polizei“, die von John Whiteside Parsons 1946 angeklagt wurden. (Crowley, mit seinem typischen Geschmack an humorigem Melodrama, nannte sie in seinen Büchern die Schwarze Bruderschaft, und es kostete mich Jahre, herauszufrnden, wen er meinte … )
* www.mcwilliams.com

In Newark, Kalifornien, brach die Polizei kürzlich in das Haus einer koreanischen Familie ein, schlug sie alle zusammen und zerstörte alle ihre Möbel und ihr Geschirr, während sie angeblich nach illegalen Drogen suchten. Sie fanden keine Drogen, aber die Rauschgiftbullen erklärten der Presse: „Dies ist Krieg.“ In Minneapolis, noch tragischer, brach die Polizei ebenfalls in ein Haus ein, das eines älteren schwarzen Paares, dabei benutzten sie Blendgranaten, die das Gebäude in Brand setzten und den Ehemann und die Ehefrau töteten. Sie boten dieselbe „Erklärung“ an wie in Newark: „Dies ist Krieg.“*
* David Ross, Pissing Away The American Dream

Wie Oliver Steinberg schrieb – „es ist unrichtig, von einem Krieg gegen Drogen zu sprechen … Man sperrt nicht Drogen ins Gefängnis, man sperrt Menschen ein … Man kann Drogen nicht töten – man tötet Menschen. Unsere Regierung führt keinen Krieg gegen Drogen, sie führt einen Krieg gegen die Bevölkerung.“* Infolge einer merkwürdigen und bösartigen Verbindung der Fundamentalisten mit dem fanatischen Flügel des Feminismus haben wir seit 1980 mehr als 60 Hexenjagden oder Satanische Paniken gehabt. Tausende von Leben ruiniert, Massenhysterien, Millionen von Dollars verschwendet an Strafverfolgungen, die üblicherweise vor Gericht mangels echter Beweise zusammenbrechen: ein hoher Preis für die Zerstörung der Grundrechte. Nach dem Herumgraben in zahllosen „Massengräbern“ behaupteter Menschenopfer fand die Verhaltenswissenschaftliche Einheit des FBI, die sich mit Serienmördern befasst, kein einziges Opfer, nicht eines, und folgerte, dass die ganze Manie keine reale Grundlage hat – was selbstredend dazu führte, dass das FBI beschuldigt wurde, selber als ein Teil der Satanischen Verschwörung zu fungieren**. Und nichts von alledem hat irgend etwas mit dem ursprünglichen Jerusalemer Christentum zu tun. Dies ging allein von den Papistischen Heuchlern in Rom und ihren protestantischen Imitatoren aus, die das darstellen, was die meisten Leute für das ganze „Christentum“ halten.
* David Ross, Pissing Away The American Dream
** Jeffrey S. Victor, Satanic Panic

Nietzsche, der zu früh gelebt hat, um von diesen ursprünglichen Christentum zu hören, betrachtete das, was unter diesem Etikett durchgeht, als die schlimmste Katastrophe, die jemals die Menschheit befallen hat. Wie er in Der Antichrist schrieb:

Christlich ist der Hass gegen den Geist, gegen Stolz, Mut, Freiheit, Iibertinage des Geistes;
christlich ist der Hass gegen die Sinne, gegen die Freuden der Sinne, gegen die Freude überhaupt …
die Begriffe „Jenseits‘, „Jüngstes Gericht‘, „Unsterblichkeit der Seele‘, die „Seele“ selbst:
es sind Folter-Instrumente, es sind Systeme von Grausamkeiten, vermöge deren der Priester Herr wurde … 

zitiert in Charles Bufe, The Heretic’s Handbock Of Quotations – dt. nach der Ausgabe: Friedrich Nietzsche, Der Antichrist (A.d.Ü.)

Gegen dieses System der Grausamkeit rebellierte Nietzsche; und Crowley erhob sich; und Jack Parsons stand auf: und ihretwegen stehen wir heute am Rande einer Bewusstseinsexplosion, die buchstäblich unseren Geist ausdehnen und unsere Körper zu den fernsten Sternen tragen kann.

Die Babalon-Arbeit: Rakete zum Himmel

Kein Gott. Kein Meister.
— Margaret Sanger
zitiert in Charles Bufe, The Heretic’s Handbock Of Quotations

Wie Du inzwischen bemerkt haben wirst, betrachte ich Parsons und Crowley in keinster Weise als Schwarzmagier oder Satanisten oder sonstwas in der Art. Magick hat viele Aspekte, aber in erster Linie funktioniert sie als ein dramatisiertes System von „Psychologie“ (oder neurolinguistischem Metaprogrammieren), das uns darauf trainiert, aus dem Käfig des sozial konditionierten Ego auszubrechen und, indem wir direkt in das Chaos und die Leere, aus der wir kamen, hineinfallen, eine Wiedergeburt in ein neues Selbstgefühl erleben lässt, ein neues Gefühl von Welt und von Chaos und Leere – durch die Erfahrung, dass all diese Namen dieselbe Einheit verbergen- den wunderbaren Magier, der das Gras grün macht, den traurigen Mann traurig, die wütende Frau wütend und das liebende Herz überfließen lässt mit immer noch mehr Liebe, endlos.

Dr. John Lilly nannte diesen Prozess „den menschlichen Bio-Computer metaprogrammieren“, Dr. Timothy Leary, sich seiner Schuld sowohl Crowley als auch Parsons gegenüber bewusst, nannte es „fortgesetztes Neuprägen“ unseres „Realitätstunnels“. Wie Terence McKenna oft in seinen Vorträgen sagt, kann man all dies per Yoga tun – aber nur, wenn man sieben Jahre oder mehr seines Lebens erübrigen kann, die man in einem Ashram meditierend herumsitzt. Magick funktioniert schneller, besonders wenn sie mit den uralten schamanischen Ekstasen völliger sexueller Auflösung und den passenden En-theo-genen vereint wird.

Crowley sagte, und Parsons zitierte ihn in dieser Sache gern „ES GIBT KEINEN GOTT AUSSER DEM MENSCHEN“* (Das klingt heutzutage sexistisch**, aber ihr alle wisst, was er meinte. Er sagte auch „JEDER MANN UND JEDE FRAU IST EIN STERN“) Dies mit Atheismus zu verwechseln, scheint mir ebenso wüst am Punkt vorbeizugehen wie die Verwechslung mit „Satanismus“. Es bedeutet ganz einfach, dass alle Ideen/Wahrnehmungen/Erfahrungen des Göttlichen oder des Unsterblichen direkt auf die latenten Kräfte des Geistes zurückverweisen, der sie enthält. (In diesem Zusammenhang siehe Johannes 10:34***)
* i. Orig. „There is no god but man“ Das engl. but kann auch aber, bloß, nur bedeuten. (A.d.Ü.)
** aufgrund der Doppeldeutigkeit des engl. man, das Mann oder Mensch bedeuten kann. (A.d.Ü.)
*** Joh. 10:34 – „… steht nicht geschrieben in eurem Gesetz: „Ich habe gesagt: Ihr seid Götter‘?“ (A.d.Ü.)

Wie Jack Parsons wusste und wie Freudianer leicht für sich selber feststellen werden, löste der ganze magische Kampf in Parsons‘ Babalon-Arbeit, wie es in den Kapiteln sieben und acht wiedergegeben wird, auf einer Ebene eine gewaltsame Konfrontation mit Marvels Ödipuskomplex aus. Babalon repräsentiert die Mutter und die Hure, die gegensätzlichen Archetypen des männlichen Geistes. Um es laut auszusprechen: wenn er Babalon als Cameron liebte, tat Jack Parsons das bewusst, was alle Männer unbewusst tun: er fickte seine Mutter. Nach 2000 Jahren christlichen Sex-Hasses und Sex-Schuldgefühlen konnte er nur in diesem totalen Kampf auf Leben und Tod mit allen inneren Hemmungen jene Befreiung finden, die wir alle suchen, der wir alle irgendwann gegenüberstehen – in der Stunde unseres Todes, wenn wir endlich keinen Furz mehr darauf geben, was andere Leute denken.

Nur in der Richtung des Irrationalen und Unbekannten können wir wieder zu Weisheit gelangen.
— John Parsons, Brief an Cameron


Ein Wunder lebte unter uns
von Robert Anton Wilson ist als Einführung zum Buch Raumfahrt, Sex und Rituale (2008) von John Carter, im Original „A Marvel Walked Among Us“ in Sex and Rockets (1999) erschienen.
Mit freundlicher Genehmigung des Hadit-Verlags und des Bohmeier-Verlags

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