Die Spaghetti-Theorie der Verschwörung

Verschwörung ist die erste Offenbarung intelligenten Lebens. Die ersten organischen Moleküle bildeten Affinitätsgruppen und verschworen sich, die natürlichen Quellen unseres Planeten auszubeuten. Während sie ursprünglich in kleinen Zellen arbeiteten, entwickelten sich diese DNA-Eroberer rasch zu Organisationen von höherer Kompliziertheit und breite­ten ein Netz von hungrigem, räuberischem Leben über die vorher tote Erde aus. In weniger als 3.500.000.000 Jahren dehnte sich dieses Netz vom Grund der Oze­ane bis zu den höchsten Gipfeln des Himalayas aus. Kein Quadratzentimeter Erde blieb verschont.

Die Spinnen, die ihre eigenen Fallen (Fangnetze) ausgelegt hatten, bildeten ihre eigene Geheimgesellschaft und gingen in den Untergrund. Sie lauerten schwei­gend, verborgen unter einer harmlos aussehenden Oberfläche von Zweigen und Erde und warteten, bis sie herausstürzen konnten, um einen Käfer oder einen an­deren schmackhaften Bissen, der zufällig vorüberkam, zu verschlingen. Der Tag des Geheimagenten war gekommen. Diese Technik des Untertauchens und Hervorschnellens bewies bereits einen Fortschritt in der Entwicklung und wurde überall nachgeahmt. Tausende von Ar­ten verschwörerischer Insekten verstecken sich sogar heute noch hinter raffinier­ten Tarnungen, die uns glauben lassen, es handle sich um Äste oder Steine.

Andere Arten wurden noch geschickter. Eisbären gaben sich weiße Pelze, um sich der Schneelandschaft anzupassen. Die Sprenkelung des Leopards macht es schwer, diesen vom ebenso gesprenkelten Licht der Sonne auf dem Blattwerk zu unterscheiden. Die Norwegische Ratte (mus rattus Norwegicus) lernte, sich tags­über zu verstecken und im Schutz der Dunkelheit aufzutauchen.

Die ersten menschlichen Wesen sahen um sich und kamen mit feinem Gefühl zu dem Schluss: „Es ist ein Dschungel rund um uns.“ Die menschliche Psychologie ist eine Psychologie des Dschungels geblieben. Wie der amerikanische Historiker Carl Oglesby in seinem Buch Der Yankee-und Cowboy-Krieg schreibt:

„ … eine Vielfahl von Verschwörungen bestehen in der Nacht … Verschwö­rung ist die normale Fortsetzung einer normalen Politik mit normalen Mitteln … und wo es keine Grenze der Macht gibt, dort gibt es keine Grenze des Verschwö­rens.“

Sobald wir auf diesem Planeten die ersten menschlichen Wesen nachweisen können, können wir auch die ersten Geheimgesellschaften nachweisen. Sie ka­men kennzeichnenderweise in den tiefsten Höhlen zusammen, wo sie Zauberei trieben und Unheil über alle ihnen im Wege stehenden Wesen auf der Erde be­schworen. In jedem Stamm, der der Anthropologie bekannt ist, finden wir heute noch Ge­heimgesellschaften. Die meisten Stämme haben Geheimgesellschaften, die alle Männer umfassen, aber viele haben auch Geheimbünde, die alle Frauen umfas­sen. Viele Leser dieser Zeilen werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass sie als Kinder ihre eigenen Geheimbünde hatten mit Losungswort und Geheimzei­chen, in denen sie sich streng von den Erwachsenen abgrenzten.

Von diesem Gesichtspunkt der Entwicklung aus gesehen, hat jeder Verrückte teilweise recht. Der Hauptirrtum des Verrückten besteht in seinem Glauben an ei­ne Riesenverschwörung, die alles erklärt. Das aber ist unmöglich, weil es Grund­gesetze der Primaten-Psychologie verletzt. Sesshaft gewordene Primaten (Men­schen) sind ebenso wie die wilden schädlich hinterlistig und haben einen starken Sinn für Humor: der Betrug ist ihre charakteristischste Erfindung.

George Washington, der an die Macht kam, indem er sich gegen seinen König verschwor, sagte es mit erschreckender Offenheit: „Nationen haben keine ständi­gen Verbündeten, sie haben nur ständige Interessen.“ Das ist der Grund, warum Regierungen, Korporationen und andere schwerwiegende Verschwörungen eine natürliche Lebenszeit haben wie alle anderen Lebenssysteme. Es gibt keine Regie­rung auf unserem Planeten, die in ihrer gegenwärtigen Form mehr als 200 Jahre besteht; sieht man von der Holländischen Ostindien-Kompanie ab, so entstehen und verschwinden die meisten Gesellschaften durchschnittlich innerhalb eines Zeitraums von 100 Jahren. Außerhalb verrückter Phantasie und romantischer Schwärmerei zerfallen die meisten Verschwörungen an ihren eigenen „internen Widersprüchen“ innerhalb von Monaten oder Jahren.

Das Studium der Verschwörung als ein Zweig der Tiefenpsychologie wäre an sich sehr interessant, wie Macchiavelli wusste; aber reale Verschwörungen sind nicht so interessant wie jene, die Verrückte und Ideologen bilden; sie sind einfach viel schmutziger.

Es ist eine Ironie unserer Zeit, dass Verschwörungen und Geheimbünde mehr Einfluss haben als zu irgendeiner anderen Zeit; zu einer Zeit also, als es grob­schlächtig galt, über sie zu reden. In diesem Sinne zerschlugen die Nazis im II. Weltkrieg die liberalen Demokratien, weil sie eine vollendete Kontrolle über jede liberale Gesinnung ausübten. Die Liberalen fürchten sich, an Verschwörungen zu denken, weil sie das zu der einen Riesen-Verschwörung führen könnte, d.h. „zu denken wie Hitler“. Aber ein Geist, der in Ketten liegt, ist ein unfreier Geist. Ich glaube, es ist Zeit, wir brechen Hitlers Macht über unseren Geist und beginnen in Tatsachen zu denken anstatt uns durch Tabus zurückhalten zu lassen.

Offen gesagt hätte ich jedoch niemals gewagt, das liberale Tabu – „Du sollst nicht an Verschwörungen denken“ – wenn ich nicht selbst gezwungen gewesen wäre, an sie zu denken. In den Sechziger Jahren war ich in Chicago in der Anti-Kriegs-Bewegung enga­giert. Ein Untersuchungsausschuss des Kongresses enthüllte später, dass allein in Chicago über 5.000 Regierungsagenten eingesetzt wurden, die Friedensgruppen zu unterwandern – einige arbeiteten für das Federal Bureau of lnvestigation (FBI), einige für die Central Intelligence Agency (CIA) und einige für den militärischen Geheimdienst. Ab 1968 verfolgte das FBI dann ein Programm, das man COINTEL­PRO nannte. Die Absicht von COINTELPRO war es, die Anti-Kriegs-Bewegung wissen zu lassen, dass sie unterwandert war; dadurch wurde Misstrauen gesät, es gab Verdächtigungen zwischen den Personen und Gruppen, die im anderen Falle harmonisch zusammengearbeitet hätten. Wer damals in der Friedensbewegung tätig war, lebte wie in einem Roman von Eric Ambler. In einer einzigen Woche wurde ich vielleicht dreimal gewarnt, dass eine bestimmte Person, der ich vertrau­te, eigentlich ein Agent der Regierung sei, und gar mancher, der an einem Tag selbst beschuldigt worden war, konnte schon am anderen Tag einen anderen be­schuldigen. Beinahe 20 Jahre später weiß ich noch immer nicht, wer ein Regierungsagent war und wer nicht. Ich hatte an der ganze Sache eher meinen Spaß als dass ich erschreckt war, weil ich grundsätzlich übereinstimme mit Helen Keller, dass „das Leben entweder ein großes Abenteuer ist oder gar nichts“.

Ich traf auf die gleiche Spionen-Geschichten-Atmosphäre, als ich mich in den frühen Siebzigern an einer Aktion zwecks Enthaftung des umstrittenen Wissen­schaftlers Dr. Timothy Leary beteiligte. Zu irgendeiner Zeit verdächtigte jeder in diesem Komitee einen anderen, ein Regierungs-Agent zu sein. (Ich glaube, der Poet Allen Ginsberg verdächtigte mich länger als ein Jahr.) Und vermutlich einge­schleuste Nachrichten in der Presse versuchten uns zu überzeugen, Leary sei selbst Regierungs-Agent geworden. Ich finde heute noch diesen klassischen John-Le-Carré-Streich für sehr gelungen, besonders, da ihn einige Leute auch glaubten. (Am Ende wurde bestätigt, dass Learys Schwiegersohn, Dennis Martino, verleitet worden war, für die Regierung zu arbeiten. Dennis starb später in Spanien, und drei Presseberichte innerhalb zwei Tagen gaben an, es sei Mord gewesen, es sei Selbstmord gewesen und es sei ein Unfall gewesen. Das Geheimnis seines Todes ist noch ungelöst.)

Meine tatsächliche Einführung in eine Separate Realität (wie der Soziologe Harold Garfinklees nennen würde) verdanke ich einer außergewöhnlichen Per­sönlichkeit namens Kerry Thornley, den ich erstmals in der Anti-Kriegs-Bewegung traf. Kerry diente in den Fünfziger Jahren in der US-Marine, und Lee Harvey Os­wald diente in derselben Einheit wie er. Er und Oswald wurden sogar so etwas wie Freunde, wenn es auch nie eine sehr enge Freundschaft wurde. Nach dem Kenne­dy-Mord im Jahre 1963 war Kerry erschüttert, als Oswald eingesperrt und gleich danach, noch vor der Gerichtsverhandlung, ermordet wurde; er war noch mehr verblüfft, als er entdeckte, dass er und Oswald kurz vor dem Kennedy-Mord einige Monate hindurch in nächster Nachbarschaft in New Orleans gewohnt hatten, ohne einander zu treffen.

Fünf Jahre später, 1968, wurde bekannt, dass der Geheimdienst der Marine, wie die CIA, an der geheimen Gehirnwäsche-Forschung – die jetzt als MK­ULTRA-Projekt bekannt ist – in den Fünfziger Jahren beteiligt war und dass die Ma­rine Freiwillige aufgenommen hat, die diese Experimente, die Psychedelischen Drogen, Hypnose und psychischen Druck umfassten, mitmachen wollten. Einige dieser Freiwilligen, welche noch Jahre nachher Alpträume und Angstzustände hatten, verklagten die Regierung. Kerry, der davon las, wurde überzeugt, dass er und Oswald zu diesen Freiwilligen gehört hatten, dass aber sein Gedächtnis daran durch die Marine-Psychologen ausgelöscht wurde. Kerrys Beweis dafür bestand aus den ständigen Alpträumen, die er seit dem Verlassen der Marine hatte, und aus einer Reihe von etwa einem Dutzend seltsamer Übereinstimmungen, wie eben die, dass Oswald und er in der gleichen Wohngegend lebten. Gregory, ein Freund sowohl von Kerry als auch von mir, ist der Meinung, dass Kerrys Geschichte viel für sich hat; er war Zeuge bei einigen dieser zufälligen Zusammentreffen.

Kerry erklärte sich bereit, vor dem Ausschuss, der die Morde untersuchte, auszu­sagen. Seine Aussagen sind nicht überzeugend, aber vielsagend. Kurz danach pas­sierten andere Zufälle, und Kerry war überzeugt, dass man versuchte, ihn umzu­bringen. Seine Gedanken und sein Verhalten wurde immer unberechenbarer. Bald schon verdächtigte er alle seine Freunde, einschließlich mir, CIA-Agenten zu sein. jedermann, der ihn kannte, war danach überzeugt, dass er verrückt gewor­den war. Das war auch die Diagnose eines Psychiaters, der Kerry seit seiner High-­School Zeit gekannt hatte. Bleibt nur noch die Frage: Bildete sich Kerry solche un­heimlichen Dinge ein, weil er verrückt war, oder war er verrückt geworden, weil solch verbrecherische Dinge an ihm gemacht worden waren?

An einem gewissen Punkt machte ich den Fehler, Kerry mit Vernunftsgründen überzeugen zu wollen, dass ich kein CIA-Agent war. „Ich weiß, dass du anständig bist“ sagte Kerry endlich. „Sie müssen deine Erin­nerung ebenfalls ausgelöscht haben.“ Er drang dann in mich, mich an all meine Träume zu erinnern. „Das ist die Mög­lichkeit, Erinnerungen an das, was wirklich geschehen ist, zurückzurufen“, sagte er.

II

Im CIA-Jargon ist ein nützlicher Idiot einer, der für sie arbeitet ohne es zu wissen. Meine Bekanntschaft mit Kerry Thornley hinterließ mir ein bleibendes Ver­mächtnis. Wann immer ich fürchte, dass ich mich und meine Theorien zu ernst nehme, halte ich ein und frage mich: „Bin ich wirklich schon ein nützlicher Idiot geworden?“

Es ist klar, dass der Staat, wie wir ihn kennen, ein eingeborener konspirativer Or­ganismus ist. Wie der Soziologe Franz Oppenheimer in seinem bemerkenswerten Buch Der Staat aufzeigt, gibt es keinen anthropologischen oder historischen Beweis, dass es in der Vorgeschichte jemals etwas gab wie Rousseaus Contrat So­cial; im Gegenteil, der Staat tritt immer nach Eroberung durch bewaffnete Kräfte in Erscheinung. Man kann behaupten, dass eine erobernde Elite diese Einrichtun­gen – Polizei, Armee, Besteuerung – schuf, um Macht über die Eroberten zu ge­winnen. Und diese Dinge machen das Skelett eines Staates aus, wie wir ihn aus historischer Sicht kennen. Es gibt keine Aufzeichnung eines friedlichen Vertrags, wonach ein Stamm selbst eine solche Unterdrückungsmaschinerie über sich ge­setzt hat. Eroberer zwangen sie ihm auf.

Bakunin legte in Gott und der Staat dar, dass niemand jemals Gott oder den Staat gesehen habe. Das ist, obwohl es bestürzend ist, wahr. Menschliche We­sen, Priester genannt, behaupten, Gott zu vertreten, und andere menschliche Wesen, genannt Beamte, behaupten, den Staat zu vertreten, und dieser meta­physische Taschenspieler-Trick reicht aus, Handlungen zu rechtfertigen, die, wür­den sie bloße menschliche Wesen begehen, nicht nur als verbrecherisch, sondern sogar als barbarisch angesehen würden. Ähnliche Wortzauberei-Wörter wie Häresie und Verrat werden dazu verwendet, die Opfer zu überzeugen, dass sie in diesem Übelstand beharren, dass eine Flucht aus diesem Zustand schlimm ist und dass sogar der Gedanke, dass man ein unterdrücktes Wesen sei, schon eine Sünde sei.

Mit einfachen Worten ausgedrückt: jemand, der dich bestiehlt, ist ein Dieb, wenn er das nicht als ein Vertreter des Staates tut – in letzterem Fall ist er kein Dieb mehr sondern nur ein Steuereinnehmer. Mit dem gleichen metaphysischen Trick nennen wir einen, der Millionen von Menschen mordet, nicht mehr einen Mör­der sondern einen Kreuzfahrer, wenn er behauptet, dies im Namen Gottes zu tun. Du kannst einem gewöhnlichen Banditen mit einem vollkommenen Sinn für Rechtlichkeit Widerstand leisten, aber du hast Schuldfgefühle, wenn du dasselbe bei einem Kirchenmann oder einem Mann des Staates tust, denn da ist es Hä­resie oder Verrat genannt.

Da der Staat auf Eroberung basiert und sich durch Metaphysik (oder in Wittgen­steins Worten „durch Missbrauch der Sprache“) am Leben erhält, folgt er Oglebys Gesetz: „Wo es keine Grenze der Macht gibt, gibt es keine Grenze der Ver­schwörung.“

In den Sechziger Jahren arbeitete die CIA erwiesenermaßen mit zwei Mafia­-Führern, Sam Giancana und Johnny Roselli, zusammen. Giancana und Roselli be­sorgten professionelle Mafia-Killer und die CIA bildete sie aus und schickte sie nach Kuba, um Fidel Castro zu ermorden. Wie alle realen Verschwörungen, war das nicht von Erfolg gekrönt; Castro lebt noch immer. Diese Verschwörung war bei einem Kongress-Hearing bekannt geworden und wurde in den internationalen Medien erwähnt, so dass man nicht fürchten muss, für verrückt gehalten zu wer­den, wenn man darüber schreibt.

Einer der Zufälle, mit denen Kerry, der Ex-Marine-Soldat, über den ich oben schrieb, konfrontiert wurde, war ein seltsames Gespräch, das er mit Johnny Roselli hatte. Es war schon seltsam genug, dass Roselli überhaupt ein Gespräch mit Kerry begann, denn dieser war nur ein Parkplatz-Benützer bei dem Hotel, in dem Roselli wohnte. Es war aber vielleicht noch seltsamer, dass Roselli das Gespräch über den Kennedy-Mord führte und dabei sagte, die CIA sei es gewesen.

Wenn man Anthony Summers‘ Buch Conspiracy folgen will, dann gibt es ei­nen guten Grund zu der Annahme, dass Johnny Roselli selbst einer der Anstifter zu den Kennedy-Morden – sowohl von John als auch von Bob – in Zusammenar­beit mit Giancana, demselben Giancana, der vorher mit ihm zusammen gearbei­tet hatte, Mörder für die CIA zu beschaffen. Während Summers‘ Beweis nicht schlüssig ist, ist das durchaus überzeugend.

Das Komitee zur Untersuchung der Morde schloss aufgrund eindeutiger wissen­schaftlicher Beweise, dass es zwei Schützen gegeben hatte, die auf der Bealy Plaza auf John Kennedy geschossen hatten, einer von vorne und einer von hinten. Auf­grund nicht so eindeutiger aber durchaus auch einleuchtender Unterlagen schloss das Komitee weiter, dass eine Verschwörung von mehr als zwei Personen anzu­nehmen sei und dass die Möglichkeit einer Mafia-Beteiligung einer näheren Un­tersuchung wert wäre.

Prof. Howard Blakey vom Komitee wurde in einer Pressekonferenz noch deutli­cher: „Ich bin nun der festen Meinung, dass es der Mob tat“ sagte er. „Es ist eine historische Wahrheit.“ Sam Giancana wurde im Juni 1975 erschossen, nachdem er einmal vor dem Ko­mitee ausgesagte hatte und ehe er, weil er die Anstiftung bestritten hatte, noch ein­mal unter Eid vernommen werden sollte. Giancana wurde in den Mund geschos­sen – der Sasso in bocca, die traditionelle Mafia-Strafe für Leute, die verdächtigt werden, Informationen weiterzugeben. Johnny Roselli wurde im Juli 1976 erschossen, nachdem er ebenfalls vor das Ko­mitee zitiert worden war. Will man dem Journalisten Jack Anderson glauben, so hatte ihm Roselli erzählt, dass er nicht an den Kennedy-Morden beteiligt gewesen sei, sondern eine andere Mafia-Familie.

Nach einem neueren Buch von Anthony Summers, Goddess gibt es eklatan­te Beweise, dass Sam Giancana und Johnny Roselli dafür gesorgt hatten, dass im Schlafzimmer des Hauses, das dem Schauspieler Peter Lawford gehörte und in dem sich Marilyn Monroe und Bobby Kennedy für ihr Tête-à-Tête trafen, weil sie glaubten, dort vollkommen ungestört zu sein, elektronische Wanzen installiert wurden. Jimmy Hoffa von der Lastwagen-Gewerkschaft, welcher von Bobbys brutal gewordenem Justizministerium eingesperrt worden war, war angeblich ebenfalls in das Komplott verwickelt, welches Material beschaffen sollte, mit dem man Bobby erpressen konnte. Eine BBC-Dokumentation über Summers‘ Buch – ­Sage dem Präsidenten gute Nacht, BBC:IV 1985 – unterstützte alle von Sum­mers‘ Beschuldigungen.

Giancana und Roselli wurden beide Mitte der Siebziger Jahre erschossen, wie wir gesehen haben. Jimmy Hoffa verschwand einfach und wurde nie gefunden, weder tot noch lebend. Norman Mailer wurde während seiner Forschungen für sein Monroe-Buch überzeugt, dass es um den Tod des Filmstars manches aufzuhellen galt. Er deutete sogar an, dass es durchaus nicht abwegig sei, von Mord zu sprechen. Entsprechend dem Buch von Summers, Goddess und der oben erwähnten BBC-Dokumentation gab es in der Tat eine Verschwörung, die Marilyns Tod drei Stunden geheim hielt, während unbekannte Personen alle Unterlagen, die sich auf die Liebesaffären mit John und Bob Kennedy bezogen, aus dem Haus entfernten. Schwerwiegende Indizien lassen vermuten, dass diese Sache von Peter Lawford angestiftet wurde, er hatte, wie schon erwähnt, sein Haus für die Liebesaffären von Marilyn Monroe zur Verfügung gestellt und war überdies mit den Kennedys verschwägert. Es ist nicht nachzuweisen, dass Lawford jemals dachte oder auch nur annähernd auf den Gedanken kam, dass er eine Schlüsselfigur in einem Mord­fall werden könnte. Er dachte vermutlich, oder wollte es wenigstens denken, dass er nur mithalf, die politische Aufdeckung der Peinlichkeiten von Bettgeschichten zu verbergen. Die Möglichkeit eines Mordes bleibt eben nur eine Möglichkeit, ob­wohl es auch von Hank Messick, einem früheren Berater des Joint Legislative Co­mitee für die Untersuchung von Verbrechen, behauptet wird. Messick erklärt, dass ihm ungenannte Informanten aus der Mafia erzählt hätten, Marilyn war getö­tet worden, um Bob Kennedy in eine Falle zu locken und dann zu erpressen, da­mit er seinen Kampf gegen den Mob einstelle.

Alles, was man darüber sagen kann, ist, dass es möglich ist.

Eine weitere Freundin von John Kennedy – diese reichte er nicht an Bob weiter – war Judith Exner. Wie das Komitee zur Untersuchung der Morde später be­merkte, war Judith Exner, seltsam genug, vor, während und nach ihrer Affäre mit Kennedy, zugleich die Freundin von Sam Giancana. Das Komitee kam zur An­sicht, dass es vermutlich Giancana selbst war, der Frau Exner in das Bett des Präsi­denten schupfte, um diesen dann erpressen zu können. Giancana wurde auch, wie Sie sich erinnern, verdächtigt, am Mord an JFK beteiligt gewesen zu sein; er starb durch eine Kugel – in den Mund – während der Untersuchung.

Eine weitere von JFKs Amouren bestand mit einer Mary Pinchot Meyer, einer sehr interessanten Dame. Sie war verheiratet mit Cord Meyer, einem hohen CIA­-Mann, der zufällig als einziger dreimal die Distinguished lntelligence Medaille ver­liehen bekam. Mary Pinchot Meyer war auch eine liebe und gute Freundin von Dr. Timothy Leary; wie dieser in seinem Buch Flashbacks schreibt, erzählte ihm Mary, dass die CIA beabsichtigte, seine und anderer Wissenschaftler Versuche mit LSD und deren Veröffentlichung zu verhindern, da sie das Wissen um die die Psy­che ändernde Droge allein behalten wollte. 1964, über ein Jahr nach John Kennedys Ermordung (oder etwa zwei Jahre nach dem etwas mysteriösen Tod von Marilyn Monroe), wurde Mary Pinchot Meyer auf der Straße in Washington erschossen.

Danach wurde Dr. Leary mehrmals eingesperrt, obwohl mit einer Ausnahme von den Gerichten jede Anklage gegen ihn verworfen wurde; wegen dieser einen Sache – Besitz einer halben Marihuana-Zigarette – wurde er verurteilt. Er bekam 37 Jahre, obwohl die Strafe für dieses Delikt im Bundesstaat Kalifornien normaler­weise sechs Monate beträgt, und wurde erst freigelassen, nachdem er fünf Jahre verbüßt hatte. Dr. Leary behauptet, er sei von dem verhaftenden Beamten hinein­gelegt worden; er behauptete auch, dass es viele Unklarheiten um den Mord an Mary Pinchot Meyer gab. Niemand kümmerte sich viel um das, was Leary be­hauptete, denn ein Jahr vor seiner Freilassung hatten Regierungsbeamte in Zeitun­gen das Gerücht verbreitet, Leary sei Informant der Behörden geworden. Es gab zwar keine einzige Person, die aufgrund einer angeblichen Information Leary an­geklagt wurde, aber der Ruf umgab seinen Namen und jedermann wusste, dass er eben ein Informant war. Wie die Franzosen sagen, das gibt einem sehr zu denken.

III

Andererseits, der erste Initiationsgrad der Freimaurer enthält die Warnung, dass, wenn der Kandidat jemals seine Maurer-Brüder verrate, er gejagt würde und ge­hängt, wo die steigende Flut seine Leiche bedecken würde. Man erwartet nicht, dass wir überhaupt daran denken. Das ist nur Ritual und ist nicht wörtlich zu verstehen. Hitler hatte Wahnvorstellungen über die Freimaurer und deshalb hieße es, wenn man denken wollte, die Freimaurer hängten Menschen auf, in die Nazi­-Nacht zu verfallen, wenn wir uns nicht in Acht nehmen.

Am Morgen des 18. Juni 1982 wurde der Leib von Roberto Calvi, einem Frei­maurer, gefunden – von der Blackfriars Brücke in London hängend, dort, wo die Flut seinen Körper bedeckte. Liberale Gesinnung – oder wie sich gebildete Meinung nennt – verbietet uns absolut, einen eher naheliegenden Gedanken zu fassen. Aber, es scheint doch möglich, dass Signor Calvi von Freimaurern getötet wurde oder von Personen, welche uns dringend glauben machen wollen, er sei von Frei­maurern getötet worden. Zur Zeit seines Todes war Calvi auf der Flucht aus Italien, wo er wegen umfang­reicher Aktien- und Währungs-Betrügereien angeklagt worden war. Als Präsident der Banco Ambrosiano war Calvi einer der Hauptmanager der vatikanischen Fi­nanzangelegenheiten, entsprechend der engen Verbindung zwischen der Banco Ambrosiano und der IOR oder Vatikan-Bank; seine finanzielle Piraterie hatte den Vatikan mit Hunderten von Millionen Dollar Schulden zurückgelassen. Seine Witwe, Clara Calvi, hatte wiederholt behauptet, dass hohe Vatikan-Kreise den Mordauftrag an ihrem Mann gegeben hatten.

Frau Calvis Behauptung wird nicht unterstützt von dem englischen Journalisten Stephen Knight, welcher in Die Bruderschaft vermutet, dass Calvi von seinen Maurer-Brüdern aus der bekannten Loge P2 (Propaganda Due) getötet wurde. Zwei andere Jour­nalisten, die ebenfalls die Sache untersuchten, bieten in ihrem Buch Ungelöst: Der geheimnisvolle Tod vom Bankier Gottes eine dritte Version an: sie bemühen sich zu beweisen, dass Calvi, welcher zugegebenermaßen das Geld der Mafia aus dem Drogenhandel durch die Banco Ambrosiano und die Vatikan-Bank reinge­waschen hat, von der Mafia getötet wurde, weil er sie in einem Heroin-Geschäft betrogen hatte.

Die erste Untersuchung durch den Coroner ergab, zugegebenermaßen auf­grund unvollständiger Beweise, dass Calvi sich selbst erhängt hatte. Nach einer weitreichenden Pressekritik wurde eine neue Untersuchung durchgeführt, wo­nach der Coroner erklärte, dass die Ursache von Calvis Tod bekannt sei. Das Hauptargument gegen die Selbstmordtheorie, das in allen einschlägigen Bü­chern angeführt wurde, ist die Tatsache, dass Calvi von einem unteren Träger her­abhing, den zu erreichen selbst ein Artist Schwierigkeiten gehabt haben würde; Calvi aber war 62, übergewichtig, und scheint sich niemals sportlich betätigt zu haben.

Ist es verrückt oder ausgefallen, hinter Calvis Tod eine Verschwörung zu ver­muten? Calvi wurde gefunden mit Ziegeln, die in die Vorderseite seiner Hose gestopft waren, eine Tatsache, die schwer rational zu erklären ist; aber der Symbolismus riecht nach Freimaurerei. An dem Tag, an dem Calvi von der Brücke hängend aufgefunden wurde, starb seine Sekretärin, Graziella Corrocher, auf seltsame Weise in Mailand; sie fiel oder sprang oder wurde gestoßen aus einem Fenster von Calvis Banco Ambrosiano.

Die quasi-freimaurerische Geheimgesellschaft, zu welcher Calvi gehörte, P2, ist von den italienischen Untersuchungsbehörden angeklagt worden des vielfachen Finanzbetrugs, der Reinwaschung von Drogengeld der Mafia, der Infiltration der Regierung durch 950 Agenten und der Ausführung von Bombenanschlägen. Die Finanz-Reporterin fügt dem in ihrem Buch Auf Banken vertrauen wir noch hin­zu, dass es einleuchtend wäre, dass die P2 der Hauptfinanzier faschistischer Regi­me in Lateinamerika war und vielen Nazi-Kriegsverbrechern, einschließlich dem bekannten Klaus Barbie, geholfen hat, neue ldentitäten zu bekommen und in den von der CIA unterstützten Todesschwadronen, welche die Macht dieser faschisti­schen Regierungen begründen, Anstellungen zu bekommen.

1978 – vier Jahre bevor Calvi in London starb – sandte der Herausgeber des römischen Magazins L’Obsservatore Politico dem Papst Johannes Paul I. eine Ausgabe seiner Zeitschrift, in der er über hundert Mitglieder der P2 und/oder an­derer freimaurerischer Logen, die alle Posten im Vatikan (besonders in der IOR oder Vatikan-Bank, welche eng mit Calvis Banco Ambrosiano zusammen arbeite­te) bekleideten, anführte. Der Papst starb kurz danach unter zweifelhaften Um­ständen – es wurde keine Autopsie vorgenommen und der Vatikan weigerte sich, den fragenden Journalisten den Totenschein zu zeigen. David Yallops umstrittenes Buch In Gottes Namen ist ein Versuch zu bewei­sen, dass der Papst durch Vatikan-Funktionäre, die alle P2-Mitglieder waren oder wenigstens mit ihr verbunden, vergiftet wurde. Yallop bringt keine klaren Beweise im Sinne einer Gerichtsverhandlung, aber er macht die Sache sehr plausibel.

Was immer auch die Tatsachen um den Tod von Papst Johannes Paul I. gewesen sind, es gibt überhaupt kein Geheimnis um den Tod von Signor Pecorelli, dem Herausgeber, welcher die P2-Liste an den Papst schickte. Pecorelli wurde in sei­nem Auto erschossen. Beide Kugeln drangen ihm durch den Mund, in der klassi­schen Exekutionsart der Mafia – derselbe Sasso in bocca, den die Killer auch bei Sam Giancana angewandt haben. Es scheint unleugbar, dass Pecorelli durch die Mafia oder durch Personen, welche uns dringend glauben machen wollen, er sei von der Mafia getötet worden, getötet wurde.

IV

Der provokante Augenblick bei den berühmten Watergatetonbändern ist der, als Präsident Nixon zustimmt, an E. Howard Hunt eine Million Dollar zu zah­len, damit er nicht dieses ganze Schweinebucht-Ding erzählt. Es ist schwer vor­stellbar, dass dieses Schweinebucht-Ding 1973 noch verheimlicht worden war, als diese Konversation stattfand, oder warum Nixon eine solche Summe zahlen wollte, damit es geheim blieb.

Ein Teil der Antwort bezieht sich auf jene merkwürdige Symbiose zwischen CIA und Mafia, welche wir schon vermerkt haben. Hunt war Angestellter der CIA, als diese in das Mordkomplott mit Roselli und Giancana verwickelt war, und als die Schweinebucht-lnvasion geplant wurde. Ein anderer Teil der Antwort findet sich vielleicht in der Geschichte von der World Finance Corporation, einer Bank in Miami, Florida, die bankrott ging, nachdem ihre leitenden Herren 1981 angeklagt worden waren, das aus dem Ko­kain-Handel stammende Geld von südamerikanischen Diktatoren reingewa­schen zu haben. Präsident war ein gewisser Hemandez Cataya, welcher mit Hunt in der CIA während des Schweinebucht-Komplotts gedient hatte. Auch die beiden anderen führenden Leute dieser Bank wurden als frühere CIA­-Leute entlarvt.

Die Bezeichnung ein früherer CIA-Agent kann zweierlei bedeuten. Es kann bedeuten, dass diese Person die Organisation verlassen und keinerlei Kontakt mehr mit ihr hat, es kann aber auch bedeuten, dass die Person noch für die Organi­sation arbeitet und das Honorar auf ein Schweizer Nummernkonto bekommt, ob­wohl diese Person nicht mehr in den Gehaltslisten der CIA aufscheint. Nur Gott und die CIA wissen, was diese Bezeichnung im Falle der World Finance Corpora­tion und ihrem lukrativen Kokain-Geschäft, das auch die von der CIA begünstig­ten Diktatoren unterstützt, bedeuten mochte.

Finanz-Reporterin Benny Lernoux, welche in ihrem Buch Auf Banken vertrau­en wir diese seltsame Bank sehr ausführlich behandelt, zitiert sowohl die Unter­suchungsbehörden in Miami als auch das Kongress-Komitee, welche frei heraus­ sagten, dass Versuche, die genaue Rolle der CIA in der World Finance Corporation aufzuhellen, von dieser durch einen Nebelvorhang abgeblockt wurden. Jedoch wurde in Erfahrung gebracht, dass das Kokain-Geld reingewaschen wur­de, indem es von der WFC auf einen seltsamen Rundlauf geschickt wurde, wel­cher bei einer noch zweifelhafteren Bank auf den Bahamas, genannt Cisalpine, begann. Die Haupteigentümer der Cisalpine-Bank waren Roberto Calvi (erinnern Sie sich an ihn?) und Erzbischof Paul Marcinkus von der Vatikan-Bank. Frau Ler­noux glaubt, dass das Drogengeld durch die Banco Ambrosiano und die Vatikan-­Bank ging, um dann in einem finanziellen Schwarzen Loch zu verschwinden, wo es die Untersuchungsbehörden niemals finden werden.

Lernoux behauptet – wie das auch David Yallop in ln Gottes Namen tut­, dass diese gewinnträchtige Verschwörung von Licio Gelli, dem Großmeister der Geheimloge P2 geleitet wurde. Gelli, welcher in Italien wegen Verschwörung, Mord, Betrug und Hochverrat angeklagt wurde, versteckt sich zur Zeit in Uruguay, nachdem er in der Schweiz inhaftiert und innerhalb weniger als einer Woche aus dem ausbruchsicheren Gefängnis entkommen war. Es scheint, dass die P2 von Anfang an Signor Gellis Erfindung war, aber das wird von verschiedenen Forschern angezweifelt. Stephen Knight behauptet in Die Bruderschaft, dass Gelli für das KGB arbeitete und die P2 ein sowjetisches Experi­ment war, eine westliche Regierung zu verunsichern; Knight bezieht sich dabei auf einen Agenten des Britischen Geheimdienstes und folgert, dass entweder Gelli tatsächlich für den KGB arbeitete, oder dass die Burschen in MI-5-London wün­schen uns glauben zu machen, dass er für das KGB arbeitete.

Sowohl Yallop in ln Gottes Namen als auch Lernoux in Auf Banken vertrau­en wir bezeugen das, aber während es für Gellis Arbeit für das KGB Beweise nur in einem Punkt gibt, gibt es viel stärkere Beweise dafür, dass Gelli viel früher für die CIA angeworben wurde – einmal hatte er die Ermordung einiger Gewerk­schaftsführer, welche den Politikern in Washington unbequem geworden waren, organisiert-und das Gewicht der Unterlagen ist so schwer, dass man annehmen kann, dass Gelli in diesem Krieg der Geheimdienste seinen persönlichen Gewinn hatte, indem er für beide Seiten arbeitete. Viele italienische Journalisten haben versucht zu beweisen, dass Gelli und die P2 nur Vorfeldorganisation waren für andere, ältere Freimauerer-Gruppen. Larry Gurwin vom lnstitutional Investor (London) zitiert in seinem Buch Die Calvi­ Affäre ein früheres P2-Mitglied, der sagte, dass diese geheimnisvolle Loge ihr Hauptquartier in Monte Carlo hatte.

Aber Gurwin bemerkt auch, dass Gelli Mitglied in der Großen Orient Loge der Ägyptischen Freimauerei war, bevor die P2 gegründet wurde. Der Groß-Orient ist Lesern der Geheimbund-Literatur wohlbekannt. Er war 1771 vom Herzog von Orleans und dem rätselhaften Grafen Cagliostro gegründet worden, und man nimmt an, dass er während der Französischen Revolution die Fäden zog, um den Herzog von Orleans zum König zu machen. Wenn es so war, dann war es erfolg­los wie die meisten solcher Komplotte – der Herzog endete auf der Guillotine statt auf dem Thron. Nichtsdestoweniger hatte der Groß-Orient in manchem poli­tischen Abenteuer eine Rolle gespielt und große Verbrechen begangen, so dass sich britische Freimaurer weigern, ihn als echte Freimaurer-Loge anzuer­kennen.

Hier ist es wert, einige Gedanken Roberto Calvis, eines Mannes, der viele Hin­tergrund-Informationen hatte, mitzuteilen. Calvi empfahl bei zahlreichen Gele­genheiten Mario Puzos Roman Der Pate mit dem Argument, das sei das einzige Buch, das berichtet, wie die Dinge wirklich laufen. Calvi glaubte daran, was in Ita­lien Potere occulto heißt – geheime Macht, die hinter der Szene ihre Fäden zieht. Sein Sohn Carlo sagt, dass Roberto „von Geheimgesellschaften fasziniert“ war und Calvis Anwalt erklärte Gurwin, dass Calvi daran glaubte, dass die „Welt von konspirativen Gruppen gelenkt wird“. Der Plural ist bemerkenswert. Amateure auf diesem Gebiet scheinen immer in die Falle zu tappen, an eine einzige Große Verschwörung zu denken, im Singular. Das ist deshalb, weil die Verschwörungen, wie ein Spaghetti-Knäuel, endlose Ver­wicklungen und Überlappungen aufweisen: aber man darf trotzdem nicht in den Irrtum verfallen, die Spaghetti nicht für einen zusammenhängenden und intelli­genten Organismus zu halten.

Es ist bemerkenswert, dass Gurwin, obwohl bei dem konservativen Institutio­nal-Investor angestellt, zu dem Schluss kommt, nachdem er die einander kreu­zenden Wegevon Vatikan, Mafia, CIA und Freimaurerei durch Dschungel von Be­trug und Doppelzüngigkeit verfolgt hatte: „Roberto Calvis Weltansicht mag weit mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen als irgendeine andere, die man sich vorstellen könne.“

V

Pater Juan Krohn, welcher versuchte, 1982 in Fatima Papst Johannes Paul II. zu ermorden, glaubte, dass der Vatikan im letzten Jahrzehnt von Freimaurern und Sa­tanisten übernommen worden war. Das war die Doktrin des abtrünnigen Erzbi­schofs Lefebvre in Frankreich, welcher Krohn zum Priester geweiht hatte, und spielte eine große Rolle in Krohns geistiger Entwicklung. Viele haben sich gewun­dert, warum Lefebvre, dessen Anschuldigungen gegen den Vatikan nun schon le­gendär geworden sind, niemals exkommuniziert wurde. Lincoln, Leigh und Bai­gent schreiben in ihrem umstrittenen und spekulativen Buch Der Heilige Gral und Seine Erben ein englischer Schüler von Lefebvre habe behauptet, der abtrünnige Bischof halte gegen den Vatikan eine welterschütternde Waffe in der Hand. Was immer auch Lefebvres Waffen sein mögen, es ist gewiss nicht die genaue Kennt­nis von der Infiltration der IOR (Vatikan-Bank) durch Freimaurer/P2; das ist schon weitreichend publiziert worden, und der Vatikan behandelte die Sache, wie Prie­ster immer unangenehme Dinge behandelt haben, wie das Zeugnis der Irish Press vom 23. Juni 1983, in welcher Zeitung der Papst in wohlgewählten Worten auf eine Anfrage bezüglich der Betrügereien und Drogen-Geschäfte der Vatikan­-Bank antwortet: „Viele unangenehme Dinge stehen in den Zeitungen, Dinge, welche keine Grundlage in der Wahrheit haben. Man darf niemals durch das, was man in den Zeitungen liest, seinen Glauben er­schüttern lassen.“

W. C. Fields hätte nicht mit mehr Selbstsicherheit entgegnen können. Wir tappen noch im Dunkeln, welcher Art die welterschütternden Waffen sind, die der Häretiker Lefebvre gegen den Vatikan in Händen hält. Wie Pater Ma­lachias Martin SJ (in seinem Niedergang und Fall der Römischen Kirche) an­führt, sandte Lefebvre dem früheren Papst Johannes Paul I. eine Mappe mit Doku­menten, betreffend die Verbindungen von führenden Vatikan-Mitarbeitern – zu­sammen mit Fotos von Kardinälen mit ihren Bettgenossen und anderen unappetitlichen Angelegenheiten – aber der Papst war plötzlich tot, ehe er auf ir­gendeine Art darauf antworten konnte. Lefebvres rechte Hand, Abbe Ducaud­ Bourget, sagte vor der französischen Presse über das Ableben des Papstes, „Es ist schwer zu glauben, dass dieser Tod ein natürlicher war“ – was so etwas war wie ein neuer Höhepunkt, oder ein neuer Tiefpunkt, in dem Propaganda-Krieg zwi­schen den Lefebvre-Anhängern und dem Vatikan – aber einiges bleibt unerklärt, man fühlt es.

Folgt man Jean Delaudes Le Cercle d’Ulysse, so sind sowohl Erzbischof Le­febvre als auch Abbe Ducaud-Bourget Mitglieder der Priorei von Sion. Delaude bezeichnet die Priorei von Sion als einen alten katholischen Orden, streng konser­vativ, welcher laufend versichert, dass er Lefebvre zum nächsten Papst machen möchte. Delaude sagt aber auch, dass Abbe Ducaud-Bourget der derzeitige Groß­meister der Priorei von Sion ist, nachdem er 1963 auf Jean Cocteau gefolgt ist.

Eine etwas andere Ansicht über die Priorei von Sion findet sich in Gerard de Se­des Buch La race fabuleuse. Wie de Sede erzählt, wurde die Priorei von Leuten, die von den Merowinger-Königen abstammen oder die sich der merowingischen Sache widmen, gegründet. Eine zweite Gruppe, die de Sede nicht nennt, welche aber verdächtig nach dem Vatikan aussieht, hat die Merowinger verfolgt und ge­mordet, und zwar mehr als eintausend Jahre lang; sie tötete den letzten Mero­winger-König Dagobert II. am 23. Dezember 689 und (vielleicht aus einem Sinn für Symmetrie) töteten sie de Sedes Hauptinformanten, einen unauffindbaren Marquis de B am 23. Dezember 1971. Und gerade am Ende seiner seltsamen und unbewiesenen Sage deckt de Sede das Geheimnis der Merowinger und der Priorei von Sion auf – es handelt sich um übermenschliche Wesen, die aus Ehen im alten Israel zwischen dem Stamm Benjamin und Außerirdischen vom Sirius abstammen. De Sede erwähnt Erzbischof Lefebvre überhaupt nicht.

Der Schweizer Journalist Mattieu Paoli gibt wieder eine andere Schilderung in seinen Les Dessous d’une ambition politique. Auch Paoli erwähnt Erzbischof Le­febvre nicht. Er erklärt, dass die Propaganda der Priorei von Sion in der Schweiz durch die Großloge Alpina, die größte Loge in dem Land, die als einzige angeblich die Schweizer Banken kontrolliert, verbreitet wird. (Seltsam, Yallops Im Namen Gottes weist darauf hin, dass die Freimaurer in der Vatikan-Bank aus Mitgliedern der Alpina wie auch der P2 bestehen.) Paoli fand, dass Circuit, die Zeitschrift der Priorei von Sion, durch die Großloge Alpina vertrieben wird, es stehen hauptsäch­lich obskure Artikel über Astrologie und Okkultismus darin, entsprechend dem Titelblatt wird sie herausgegeben vom Komitee zur Sicherung der Rechte und Privilegien von Niedrig-Zins-Wohnungen. Sie wurde tatsächlich publiziert von ei­nem Regierungsbüro in Paris, genannt Komitee für die Öffentliche Sicherheit, wie Paoli herausfand.

Die Direktoren jenes Komitees für die Öffentliche Sicherheit waren zu jener Zeit Andre Malraux, der bekannte Kritiker und Romancier, und Pierre Plantard de Saint Clair, über den wir bald mehr erfahren und weniger verstehen werden. So­wohl Malraux als auch Plantard dienten während des Zweiten Weltkriegs unter de Gaulle in den Freien Französischen Streitkräften, und beide waren nach dem Krieg enge Kameraden geblieben. Paoli war zugegebenermaßen gedrängt heraus­zufinden, was die Priorei von Sion war. Die Schlussfolgerung seines Buches war, dass die Priorei in hohe französische Regierungskreise reicht und großen Einfluss auf Schweizer Banken hat.

De Sedes Buch war noch nicht erschienen, als Paoli Les Dessous heraus­brachte, daher ist es vergnüglich, dass er ohne Kommentar das Deckblatt einer Ausgabe der Priorei-Zeitschrift Circuit wiedergibt. Das Deckblatt zeigt eine Kar­te von Frankreich mit einem darübergelegten Davidstern und etwas, das wie ein Raumschiff aussieht … Es ist gewiss nur ein Zufall (ich hoffe es wenigstens), dass Paoli als Spion in Israel erschossen wurde, kurz nachdem sein Buch erschienen war. Auch nach Lincoln, Baigent und Leigh in Der Heilige Gral und seine Erben ist das Geheimnis der Priorei von Sion das, wie schon de Sede behauptet, dass ihre Füh­rer von den Merowinger-Königen abstammen – aber die Merowinger stammen hier nicht von Außerirdischen sondern von Jesus Christus und Maria Magdalena ab. Die Autoren behaupten auch (was de Sede nur andeutet), dass der Vatikan Da­gobert II. ermorden ließ, aber sie schreiben nicht, dass der Vatikan noch heute ver­sucht, alle Nachkommen von Dagobert (d. h. auch von Jesus Christus) zu ermor­den. Sie halten Pierre Plantard de Saint Clair und nicht Abbe Ducaud-Bourget für den Großmeister der Priorei von Sion und versuchen zu beweisen, dass Plantard ein direkter Nachkomme von Jesus und Magdalena ist.

M . Plantard gab den Autoren tatsächlich ein Interview und war hervorragend verschlossen und ausweichend. Er gab keinen Kommentar über seine eigene Ah­nenliste, aber erzählte bereitwillig, dass die Priorei von Sion im Besitz eines Schat­zes sei, der Israel gehöre; dieser Schatz sei nicht materiell sondern geistig und wer­de zu gegebener Zeit an Israel zurückgegeben werden. Nach Michael Lamys Buch Jules Verne: lnitiate et lnitiateur war Verne Mit­glied der Priorei von Sion, welche ursprünglich eine Vorfeldorganisation für die Illuminaten-Verschwörung in der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts war – natür­lich, die Illuminaten und der Groß-Orient, von dem die P2 ausging, sind praktisch identisch – und ihr Geheimnis sei, dass sie einen Tempel in Rennes-le-Chateau kennen, welcher in seinem Fundament ein Loch hat, das direkt zum Erdzentrum führt, wo es eine Rasse unsterblicher Übermenschen gibt.

Wie de Sedes Geschichte von den Außerirdischen, die sich mit den Hebräern vermählten, ist auch das nicht gut dokumentiert. Es gibt einen Tempel in Rennes­le-Chateau, der in den meisten anderen Büchern über die Priorei von Sion er­wähnt wird. Er wurde in den neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts von einem exzentrischen Priester, Pater Sauniere, erbaut, ist der Maria Magdalena ge­weiht, und aus dem gleichen seltsamen Grund schrieb Sauniere über sein Tor die Sinnschrift „Dieser Ort ist schrecklich“.

Nach Een Beggs Buch The Cult of the Black Virgin wurden die geheimnisvol­len Schwarzen Madonnen in den europäischen Kirchen – es gibt über 400 von ihnen, von den meisten Historikern als unerklärlich angesehen und sehr verwir­rend für den Vatikan – von der Priorei von Sion im 13. Jahrhundert in den Kirchen installiert. Begg, der mehr zu hermetischem Verbergen als zu klarer Aufdeckung neigt, sagt, dass die Priorei zu dieser Zeit auch die Tarot-Karten in Europa eingeführt hat und dass das alles mit Maria Magdalena und dem Sufi-Orden des Islam zu tun hat. Gehen wir etwas zurück, in Der Heilige Gral und seine Erben wird darauf hingewie­sen, dass Pater Saunieres Tempel zwei auffallend seltsame Kreuzweg-Stationen be­sitzt; eine davon zeigt, wie Jesus bei Nacht aus seinem Grab entfernt wird, vermut­lich von Verschwörern, die die Auferstehung vortäuschen wollten. Die andere, nicht so blasphemische, aber eher geisterhaft, zeigt einen Schotten im Kilt, der die Kreuzigung beobachtet.

Alle Quellen stimmen darin überein, dass Pater Sauniere ein Freund, wenn nicht gar Mitglied der Hermetischen Bruderschaft vom Licht in Paris war. Das ist noch eine Geheimgesellschaft, der zu verschiedenen Zeiten der Komponist Claude De­bussy, Gerard Encause und Aleister Crowley angehörten. Debussy war, verschie­denen unserer Quellen zufolge, Großmeister der Priorei von Sion. Encause, bes­ser bekannt unter seinem Pseudonym Papus, schrieb eines der einflussreichsten Bücher über Tarot und war später eng verbunden mit Rasputin in Russland. Crow­ley schrieb auch ein wichtiges Buch über Tarot und wurde Oberhaupt des Ordo Templi Orientis (noch eine Geheimgesellschaft, die ihren Ursprung vom Sufi­ Orden und den Tempelrittern ableitet). Crowley arbeitete auch für den deutschen Geheimdienst im Ersten Weltkrieg, obwohl er seltsamerweise ein guter Freund von Commander Marsden vom Britischen Marine-Nachrichtendienst blieb, was viele zu der Annahme verleitet, er sei Doppelagent gewesen.

Nach Francis Kings Satanismus und Swastika war das Oberhaupt des Ordo Templi Orientis vor Crowley Dr. Theodore Reuss, der ebenfalls für den deutschen Geheimdienst arbeitete und sogar eine Persönlichkeit wie Karl Marx ausspio­nierte.

Es ist zwecklos zu versuchen, einen Sinn in all diese Angaben zu bringen. Erin­nern Sie sich an die Metapher von dem Spaghetti-Knäuel und erinnern Sie sich, dass Verschwörungen wie Nationen keine dauernden Verbündeten sondern nur dauernde Interessen haben. Es ist jedoch von einigem Interesse, dass Pater Saunie­re, der einen Tempel für Magdalena baute und ihn schrecklich nannte, und wel­cher verbunden war mit der Bruderschaft vom Licht und der Priorei von Sion, ein sehr reicher Mann aus unbekannten Quellen wurde. Nach Der Heilige Gral und Seine Erben soll Sauniere seinen Reichtum durch ein großes Geschenk von Erzher­zog Johann von Habsburg bekommen haben.

Nach Maynard Solomons Buch Beethoven soll der Komponist sein erstes grö­ßeres Werk, die Kaiser-Joseph-Kantate, im Auftrag der Geheimgesellschaft der Illuminaten geschrieben haben. Die Kantate glorifiziert Joseph von Habsburg als einen Lichtbringer und Feind von „Dunkelheit und Aberglauben“. Der Kaiser scheint seine Erleuchtung hauptsächlich durch die Tatsache demonstriert zu ha­ben, dass er die Freimaurerei (einschließlich der Illuminaten-Logen natürlich) in Österreich legal machte und dass er die katholischen Schulen schloss und durch öffentliche Schulen ersetzte.

Wir könnten einiges daraus schließen, wenn wir bemerken, dass ein Habsbur­ger im 18. Jahrhundert ein Freund der Freimaurerei war und ein Held der Illumina­ten, und ein anderer Habsburger gab ein Riesenvermögen an einen fremden Prie­ster, welcher mit der Priorei von Sion verbunden war. Wir könnten sogar seltsame und romantische Gedanken fassen, wenn wir diese Tatsachen zusammen mit der Genealogie der Merowinger, die auf Leo Shidlof zu­rückgeführt wird und sich in der Bibliotheque Nationale befindet, betrachten. Ge­mäß dieser Genealogie sind die Habsburger Merowinger-Abkömmlinge. Solcher­art sind sie verwandt mit Jesus und Magdalena, wenn man Der Heilige Gral und Seine Erben glauben will, oder den Außerirdischen vom Sirius, wenn man La race fabu­leuse glaubt. Der gegenwärtige Spross der Familie, Dr. Otto von Habsburg, hat das Interesse der Verschwörungsforscher auf sich gezogen, jedoch weil er eines der führenden Mitglieder der Bilderberger ist – der geheimnisvollen Gruppe von Finanzleuten, welche sich einmal in Jahr treffen, immer an einem anderen Ort, und niemals Pressefragen über das, was verhandelt wurde oder was ihre Absichten sind, beant­worten. Gemeinsam mit Dr. von Habsburg sind die zwei am besten bekannten Bilderberger David Rockefeller, welcher tatsächlich das amerikanische Bank­wesen kontrolliert, und Prinz Bernhard der Niederlande.

VI

David Rockefeller ist natürlich der eigentliche Hintermann der geheimnisvollen Trilateralen Kommission, ihm gehört die Chase Manhattan Bank und er gehört zum esoterischen Bilderberger Club. Lyndon Larouche, der exzentrische rechtsge­richtete ehemalige Trotzkist, glaubt, dass die Trilaterale Kommission nichts anderes ist als Rockefellers Versuch, die Weltherrschaft zu übernehmen; aber Larouche glaubt auch, dass Königin Elisabeth II. der Kopf hinter dem internationalen Dro­genhandel ist. Andere, weniger bizarre Leute als Larouche haben sich über die Tri­lateralen den Kopf zerbrochen. Zum Beispiel Sean MacBride – Gewinner des Le­nin-Friedenspreises, der American Medal of justice, der Dag Hammarskjöld Me­dal of Honor von den UN und des Friedens-Nobelpreises – hat die Trilateralen beschrieben als Organisation für Rockefellers Banken-Interesse; MacBride findet es auch unheimlich, dass so kleine Nationen wie Irland einen Premierminister und zwei Kabinettsmitglieder haben, die auch der Trilateralen Kommission angehören. In der ganzen westlichen Weit werden Trilaterale in größerer Anzahl in allen Nato­Regierungen gefunden.

Penny Lernoux behandelt in Auf Banken vertrauen wir die Trilaterale Kom­mission als Rockefellers größere Narretei, indem sie vermutet, dass wenn diese Rockefellers finanzielle Interessen dienen soll, diese ein totaler Fehlschlag ist, da die Mitglieder den größten Teil der Zeit mit Streiten verbringen.

Wieder müssen wir zu unserer Spaghetti-Metapher zurückkehren und erinnern uns, dass die meisten Verschwörungen nicht so clever sind, wie sie es zu sein ver­meinen. Die Trilateralen überrennen die Welt noch nicht, aber sie sind wie Spaghetti mit jeder anderen ähnlichen Gruppe, die ähnliche Macht ausübt, ver­flochten. Durch Prinz Bernhard haben sie letztlich einen Kommunikationskanal zu den Bilderbergern und vermutlich dem finanziellen Flügel der Priorei von Sion, welche für all ihren Mystizismus einmal von einem Büro von de Gaulles Regierung aus operierte und welche ihrerseits verbunden ist mit der Großloge Alpina und den Gnomen von Zürich. Durch die Chase Manhattan Bank war Rockefeller fi­nanziell mit der World Finance Corporation und deren seltsamen Kontakten zu CIA und Mafia verknüpft; durch die Chase Manhattan Bank ist Rockefeller weiter verknüpft mit der Vatikan-Bank.

Die Franklin National Bank, welche durch den erschütterndsten Bankrott der Siebziger Jahre zusammenbrach, war ebenfalls Kunde von der Chase Manhattan Bank und Mr. Rockefeller. Franklin National wurde gegründet von Michele Sindo­na, Manager der Vatikan-Finanzen in den USA und Mitglied der P2. Sindona, wel­cher seine Karriere als Anwalt mehrerer sizilianischer Mafia-Familien begann, kaufte riesige Pakete von Aktien der Paramount, von Procter & Gamble und dem World Trade Center für den Vatikan; er scheint auch direkt vor Rockefellers Nase – Chase war der Hauptbürge von Franklins Anleihen – 55 Millionen Dollar von Franklin National erbeutet zu haben und wurde später verurteilt, in New York we­gen 65 Anklagepunkten über Aktien- und Wechsel-Betrug, und in Rom wegen dem Mord an einem Bank-Prüfer. Sindona starb im Gefängnis, als er einen weite­ren Prozess erwartete, weil er mit Roberto Calvi, Licio Gelli (Großmeister der P2) und General Musemicci, Chef der italienischen Geheimpolizei an dem Bomben­anschlag in Bologna 1980 beteiligt war. Die Berichte sind uneins, ob Sindona Selbstmord verübte oder von seinen früheren Gefährten vergiftet worden war. Die Motive des Bombenanschlags in Bologna sind unklar – die jeweilige Interpretation hängt davon ab, ob man die P2 hauptsächlich als Werkzeug von der CIA oder vom KGB betrachtet oder als eine Gruppe von Abenteurern, die beide Seiten im Kalten Krieg für ihren eigenen finanziellen Gewinn ausnützt. Das einzig Sichere, das wir wissen, ist, dass Lord Acton recht hat, wenn er sagt, dass alle Macht zu Kor­ruption neigt und absolute Macht absolut korrumpiere.

Licio Gelli war zufällig nicht nur Großmeister der P2 und zeitweise Mitarbeiter von CIA und KGB, sondern auch Ritter von Malta. Die Ritter von Malta, einer der geheimsten Orden des Vatikans, stammen aus dem 12. Jahrhundert, die Mitglied­schaft darin verlieh Gelli ein brüderliches Band mit William Casey, dem Kopf der CIA, welcher ebenfalls Ritter von Malta ist, und mit General Alexander Haig, ei­nem weiteren Ritter von Malta, welcher Berater Präsident Nixons und Staatssekre­tär unter Präsident Reagan war. Das wird erklären, warum Gellis Kollege im Ko­kain-Handel und Bank-Betrug, Michele Sindona, Gast bei Nixons Inaugurations­ball und Gelli selbst Gast bei Reagans Inaugurationsball war.

David Rockefeller ist auch Hauptfinanzier der Republikanischen Partei, und zwei seiner Brüder sind Gouverneure geworden, in New York und in Arkansas. Die Spaghetti-Metapher muss wieder herangezogen werden um zu erklären, war­um Nixon, der Rockefeller sehr viel verdankt, auch ein guter Freund von Rocke­fellers Erzfeind, Howard Hughes, war. Der Krieg zwischen Rockefeller und Hughes ist das Hauptthema von David Tin­nins Buch Just About Everybody vs. Howard Hughes, eines Buches, das für je­dermann, der den modernen Kapitalismus verstehen will, ebenso wichtig ist, wie Macchiavellis Der Fürst für jemanden, der die Politik verstehen will. Kurz, Rockefeller machte sich auf, Hughes die Kontrolle der Trans World Airlines abzuja­gen, aber Hughes schwor, er würde eher das Unternehmen niederbrennen, be­vor er Rockefeller erlauben würde, es zu übernehmen. Der Konflikt zog sich hin, dauerte Jahrzehnte und hinterließ einen geisteskranken Hughes, welcher über­zeugt war, dass Rockefeller die ganze Regierung mit allem Drum und Dran gehör­te. Die Frage ist: Dachte Hughes derartiges, weil er schon eine Anlage zur Paranoia hatte, oder wurde er geisteskrank wegen dem, was ihm passierte, als er in Ameri­kas Gerichten gegen Rockefeller kämpfte?

Eines der losen Enden, die von Watergate übriggeblieben sind, ist die Frage, war­um Präsident Nixon seine Klempner – seine eigene private Spionage-Gruppe und Bande für schmutzige Tricks – dem Howard Hughes lieh, für den sie nächt­licherweise in ein Zeitungsbüro einbrachen, wo sie weiß Gott was suchten. Wie Carl Oglesby in seinem Buch Der Yankee- und Cowboy-Krieg hinweist, hatte Hughes vorher Nixons Bruder, Donald, eine Million Dollar gegeben; Hughes war gleichermaßen großzügig gewesen, sich die Sympathien von Hunderten von westlichen Politikern zu kaufen in seinem Bemühen, das abzuwehren, was er als Rockefellers Todesgriff nach den Ostküsten-Gesetzgebern und Richtern sah. Am Ende von allem war Hughes nicht nur verrückt und in einen Raum gesperrt, ängst­lich jeden menschlichen Kontakt vermeidend, sondern auch sein Finanz-Imperi­um war, wie Oglesby beweist, von der Mafia unterwandert, welche er um die Kon­trolle der Spielcasinos in las Vegas bekämpft hatte.

Die Ritter von Malta, zu welchen Licio Gelli, William Casey von der CIA und General Haig gehören, werden in Gordon Thomas‘ Buch Das Jahr von Armagge­don behandelt. Thomas behauptet, dass Papst Johannes Paul II. wöchentliche Treffen mit CIA-Offizieren in Rom abhält und die Ritter von Malta als Kuriere für geheime Nachrichten ins CIA-Hauptquartier in Alexandria, Virginia, verwendet. Das alles erinnert mich an eine Bemerkung, die ich einmal von dem Philosophen Alan Watts hörte: „Der größte Irrtum akademischer Historiker ist ihr Glaube, dass das römische Imperium zusammenbrach. Es brach niemals zusammen. Es kon­trolliert noch immer die westliche Weit durch den Vatikan und die Mafia.“ Unsere Hinweise zeigen uns jedoch, dass Vatikan/Mafia nicht den Westen kontrollierten, sondern es nur versuchen, und dass in dem riesigen Spaghetti-Knäuel, welchen die Primaten-Länder-Politik darstellt, jede andere verwandte Gruppe für sich eine ähnliche Kontrolle beansprucht. Sie alle arbeiten zu gewissen Zeiten zusammen und betrügen einander zu anderen Zeiten, wenn es zu ihrem Vorteil ist.


Die Spaghetti-Theorie der Verschwörung
von Robert Anton Wilson ist als Einführung zum Buch Hinter den Kulissen des Dritten Reiches. Geheime Gesellschaften machen Weltpolitik (1987) von Otto Rudolf Braun erschienen.
Vielen Dank an den Raymond Martin Verlag für die Nutzungsgenehmigung!

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