Der Dunkelmann als Witzbold

US-Autor Robert A. Wilson gilt als Chefideologe der Verschwörungstheorie.
Dabei geht es ihm vor allem um die komische Seite des Themas.


Sie sind 69 Jahre alt. In 69 steckt drei mal die 23, angeblich eine geheimnisumwitterte Zahl. Ist dies ein gutes oder schlechtes Zeichen?
Robert Anton Wilson: Ein sehr gutes. Die 23 ist eine magische Ziffer. Außerdem ähnelt 69 dem chinesischen Yin-Yang-Symbol, das meiner Einstellung zum Universum entspricht. Nicht zu vergessen, dass sich hinter der Chiffre 69 eine recht populäre sexuelle Stellung verbirgt …

Warum haben Sie die 23 zur Megazahl erhoben – und nicht etwa die 24?
Robert Anton Wilson: Es gibt wirklich unglaublich viele Bereiche, in denen die 23 auftaucht: Julius Cäsar erlitt 23 Stichwunden, Mann und Frau tragen jeweils 23 Chromosomen zur Befruchtung bei, und der Sitz der Freimaurerloge in New York City ist in der 23. Straße. Den Tick mit der 23 habe ich eigentlich von einem guten Freund, William S. Burroughs, der fortwährend von merkwürdigen Zusammenhängen faselte. Plötzlich war die 23 überall, also habe ich sie als numerisches Schmankerl in mein Buch Illuminatus! eingebaut – und damit wohl eine Menge unschuldiger Leser paranoid gemacht.

Sind Sie selbst etwas paranoid?
Robert Anton Wilson: Meine Bücher sind Do-it-yourself-Baukästen für Verrückte. Ob ich deswegen selbst verrückt bin, ist eine andere Frage. Manche meiner Fans glauben sogar, dass ich für die CIA arbeiten würde, als Teil des Desinformationsapparats. Andere denken, ich sei quasi der Pressemensch des Geheimbunds der Illuminaten. Dabei bin ich Schriftsteller, ein Mann, der weder Besuch von Männern in schwarzen Anzügen noch von Aliens bekommt.

Ihre Illuminatus!-Trilogie erschien Anfang der 70er-Jahre, das Lexikon der Verschwörungstheorien im vergangenen Jahr. Woher kommt dieses Interesse an ungeklärten Phänomenen und verschwörerischen Zusammenhängen?
Robert Anton Wilson: Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten z. B. Bücher auf, in denen behauptet wurde, dass Roosevelt schon vorher von dem Angriff auf Pearl Harbour gewusst haben soll. Solche Geschichten finde ich spannend.

Was versteckt die amerikanische Regierung angeblich auf dem Ufo-Gelände Area 51?
Robert Anton Wilson: Irgendwas, so viel ist sicher. Vielleicht außerirdisches Leben, vielleicht Lebensformen aus anderen Dimensionen? Sicher ist nur, dass kein Normalsterblicher näher als 40 Kilometer an die Anlage in der abgelegenen Wüste Nevadas herankommt, bevor er abgefangen und weggeschickt wird. Sicher ist auch, dass Area 51 die längste Start- und Landebahn der Welt hat. Vielleicht ist der ganze Ufo-Mummenschanz aber auch gewollt, um von dem wirklichen Horror abzulenken.

Und wo ist Elvis?
Robert Anton Wilson: Tot. Interessanterweise gab es angeblich im Jahr 2000 zum ersten Mal mehr Menschen, die dachten, sie hätten Elvis gesehen, als Menschen, die Ufos am Himmel erblickt haben wollen.

Als Ihr Illuminatus! erschien, waren Verschwörungstheorien noch verpönt; heute scheinen sie eine Art Volkssport zu sein. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Robert Anton Wilson: Verschwörungstheorien sind unterhaltsam. Ich persönlich sehe sie als intellektuelles Entertainment. Außerdem verstehen die Leute die heutige, stets komplexer werdende Welt immer weniger; da ist eine Verschwörung eine willkommene Erklärung. Mittlerweile gibt es über 70 Millionen Verschwörungsseiten im Netz.

Ist die Popularität des Konzepts Conspiracy in Amerika nicht auch die Folge des uramerikanischen Misstrauens gegenüber der Zentralgewalt in Washington?
Robert Anton Wilson: Drei von vier Amerikanern glauben, dass die amerikanische Bundesregierung in verschwörerische Aktivitäten verstrickt sei. Wo Macht ist, ist Missbrauch und dementsprechend auch Misstrauen. Und dieses Misstrauen wächst. Seit Watergate tragen selbst die Schurken in Hollywood-Filmen Krawatte und Anzug, vorher bediente sich Hollywood bevorzugt südländischer Stereotypen.

Welche Geheimnisse liegen denn z.B. hinter den Mauern des Pentagon verborgen?
Robert Anton Wilson: Manche Zeitgenossen fürchten, dass die Regierung den Teufel höchstpersönlich im Fünfeck des Pentagon versteckt. Das fand ich so amüsant, dass ich dieses Gerücht in Illuminatus! kolportierte.

Sie beschreiben die Illuminaten als mächtigen Geheimbund, der die Welt unterwanderte. Was wollen die Illuminaten denn?
Robert Anton Wilson: Das hängt davon ab, welcher der unzähligen Theorien man glaubt. Vielleicht sind es linke Umstürzler, die irgendwie das Bankenwesen unterwandern konnten. Vielleicht waren es Nazis? Oder doch „jüdische Weltverschwörer“? Andere wittern hinter den Illuminaten Turbokapitalisten, die zuerst das feudale System für obsolet erklärten und dann die Kirche entmachteten, um hinter einer demokratischen Fassade Geld und Macht anzuhäufen. Manche glauben auch, dass die Illuminaten eine satanistische Vereinigung sind, die die Welt dem Ende entgegenführen wird … Mir ist es egal. Ich bin irrationaler Optimist: Ich werde wahrscheinlich vorher sterben …

Focus Magazin #18/2001
Der Dunkelmann als Witzbold – Ein Interview mit Robert Anton Wilson
ist im Focus Magazin Ausgabe 18/2001 erschienen.

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